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„Was will uns der BFH damit sagen?“ Kommentar zum Urteil vom 20.7.2016 (I R 33/15) – Erdienbarkeit bei Wechsel eines Durchführungsweges

Michael Gerhard, Mitarbeiter im Fachbereich Recht | Steuern der Longial GmbH, zum Hintergrund des BFH-Urteils und seinen Auswirkungen:

Zu den diversen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer bAV, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) erteilt wird, gehört die sogenannte Erdienbarkeit. Nicht erdienbar ist eine bAV bei einem beherrschenden GGF unter anderem dann, wenn zwischen der Zusageerteilung und dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersversorgung weniger als zehn Jahre liegen. Mit der Frage, ob allein ein Wechsel des Durchführungsweges den Zeitraum für die Erdienung einer Zusage auf bAV neu beginnen lässt, hat sich der BFH in seinem Urteil vom 20.07.2016 (I R 33/15) befasst. Und das mit einem Ergebnis, welches schon zu einigen Diskussionen geführt hat.

Der Fall: Gleichzeitiger Wechsel des Durchführungsweges und Zusageerhöhung
Der Entscheidung des BFH lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Arbeitgeber die Direktzusage des GGF teilweise durch eine Unterstützungskassen-Versorgung ersetzt hatte. Für den bis zum Zeitpunkt der Umstellung bereits erdienten Teil der Versorgung („past service“) blieb es bei der Durchführung in Form der Direktzusage. Der nach Umstellung noch zu erdienende Teil („future service“) wurde durch eine Unterstützungskassen-Versorgung abgelöst. Herbei wurden auch Änderungen an Form und Höhe des „future service“ vorgenommen. Der Leistungsplan der Unterstützungskasse regelte als Altersversorgung anstelle der in der Direktzusage vorgesehenen lebenslangen Rente eine Einmalkapitalleistung. Zudem überstieg die Höhe dieser neuen Altersversorgung deutlich den Barwert der bisherigen Rentenzusage. Bezogen auf den „future service“ lag also eine deutliche Erhöhung der zugesagten bAV vor. Zum Zeitpunkt des Wechsels des Durchführungsweges war der betreffende GGF bereits mehr als 56 Jahre alt. Die Versorgungszusage sah jedoch ein Pensionsalter von 65 Jahren vor. Nach Wechsel des Durchführungsweges verblieben also weniger als zehn Jahre für eine „neue Erdienung“ der in Aussicht gestellten Versorgung.

Überraschende Entscheidung der Vorinstanz
Wer nun erwartet hatte, dass das Finanzgericht, welches sich in der Vorinstanz mit dem Fall befassen musste, aus Erdienungsgründen denjenigen Teil der Unterstützungskassen-Versorgung steuerlich nicht anerkennen würde, welcher auf die Erhöhung entfiel, wurde überrascht. Denn das Finanzgericht sprach dem Arbeitgeber vollumfänglich die Möglichkeit ab, Zuwendungen an die Unterstützungskasse als Betriebsausgaben geltend zu machen – also unabhängig davon, ob diese Zuwendungen zur Finanzierung des bereits vor Wechsel des Durchführungsweges in Aussicht gestellten Teils der Versorgung oder darüber hinaus verwendet wurden. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Zusage durch den Wechsel des Durchführungswegs eine völlig andere Qualität gewonnen hätte. Dies wurde allerdings nicht näher erläutert. Deshalb sei nicht nur die rechnerisch ermittelte Erhöhung der Versorgung in die Prüfung der gesellschaftlichen Veranlassung einzubeziehen, sondern die Unterstützungskassen-Zusage insgesamt wie eine Neuzusage zu behandeln. Da zum Zeitpunkt der Umstrukturierung eine Neuzusage aber aus Gründen der Erdienbarkeit nicht mehr möglich gewesen sei, wäre insoweit die steuerliche Anerkennung vollumfänglich zurückzuweisen.

Und die nicht minder überraschende Bestätigung durch den BFH:
In der Revision hat sich der BFH der Einschätzung der Vorinstanz nunmehr angeschlossen. Wer also damit gerechnet hatte, der BFH würde letztlich nur in dem Umfang eine steuerliche Anerkennung der bAV versagen, wie diese auf den Erhöhungsteil entfiel, sah sich – erneut – eines besseren belehrt. Auch die Hoffnung, der BFH würde im Falle der Bestätigung der Vorinstanz ausführlicher darlegen, worin die (so) neue Qualität einer bAV, bei der sich (allein) der Durchführungsweg geändert hat, denn nun tatsächlich liegen soll, hat sich nicht erfüllt. Der BFH spricht vielmehr lediglich von einer „wesentlichen Statusänderung“ der Versorgung, die „nicht lediglich eine Formalie“ darstelle. Der begünstigte Arbeitnehmer hätte zudem „in Gestalt der Unterstützungskasse einen neuen Vertragspartner“ erhalten.  

Auswirkungen des Urteils
Es fällt schwer, aus dem Urteil klare Schlüsse zu ziehen. Denn es fehlt im Kern an einer nachvollziehbaren Begründung. Der BFH nennt vorwiegend formale Gründe für seine enge Sicht auf den Sachverhalt, die allerdings nicht überzeugen. Nach Einschätzung des Gerichts stellt offenbar allein der Wechsel des Durchführungsweges einen wesentlichen Eingriff in das Versorgungsversprechen dar. Die besonderen Umstände des hier im konkreten Fall zu beurteilenden Sachverhaltes (wie etwa der Wechsel der Zusagestruktur), die in der Tat einer differenzierten Würdigung wert gewesen wären, fanden hingegen keinen Eingang in die Urteilsbegründung. Derjenige, der also etwaigen unangenehmen steuerlichen Überraschungen aus dem Weg gehen möchte, kann dies daher nur dann mit vollständiger Sicherheit tun, wenn er innerhalb der Erdienbarkeitsfrist den Wechsel des Durchführungsweges vermeidet. Alternativ können konkrete Sachverhalte der Finanzverwaltung selbstverständlich zur Prüfung vorgelegt werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass – wie man dem Verfahrensverlauf entnehmen kann – sich im vorliegenden Fall (auch) die Finanzverwaltung damit begnügt hätte, wenn es allein zu einer steuerlichen Nichtanerkennung desjenigen Teils der bAV gekommen wäre, der tatsächlich eine echte Erhöhung darstellte. Zudem können Arbeitgeber auch versuchen, durch die Form der Umstrukturierung einer bAV, die mit dem Wechsel des Durchführungsweges einhergeht, den Charakter einer Neuzusage zu vermeiden. Anders als im vorliegenden Fall besteht nämlich alternativ zum Durchführungswegewechsel in Form eines harten Schnitts auch die Möglichkeit, ein Anrechnungsmodell zu wählen. Bei einem solchen Anrechnungsmodell bleibt der bisherige Durchführungsweg formal bestehen, auf den dann die Leistungen aus dem neuen Weg angerechnet werden. Doch man sollte sich auch bei einem solchen Modell nicht in Sicherheit wiegen: Wer weiß schon genau, welche Gedanken dem BFH hierbei womöglich durch den Kopf gingen. Im Zweifel sollte man daher entsprechende Maßnahmen mit einem qualifizierten Berater besprechen.