STANDPUNKT

Spätehenklausel – Bundesarbeitsgericht vom 04.08.2015, 3 AZR 137/13

Dr. Paulgerd Kolvenbach, Geschäftsführer der Longial GmbH, zum Hintergrund des BAG-Urteils und seinen Auswirkungen:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mal wieder mit Gleichbehandlungsfragen in der betrieblichen Altersversorgung im Hinblick auf die Diskriminierung wegen des Alters beschäftigt.

Eheschließung nach dem 60. Geburtstag: eine Benachteiligung?

In seiner Entscheidung vom 04.08.2015- 3 AZR 137/13 hat das BAG erstmals entschieden, dass eine sogenannte Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist, den Arbeitnehmer unzulässig wegen des Alters benachteiligt. Denn eine solche Regelung knüpft unmittelbar an die Überschreitung des 60. Lebensjahres an und führt dazu, dass Mitarbeiter, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, von der Witwenversorgung vollständig ausgeschlossen sind. Damit erfahren diese Mitarbeiter wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung.

Zeitpunkt der Eheschließung für Versorgungsinteresse unerheblich

Die durch die Formulierung bewirkte Ungleichbehandlung ist auch nicht im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes AGG) gerechtfertigt, weil sie nicht angemessen und erforderlich ist, die mit der Spätehenklausel angestrebten Ziele, wie die Begrenzung zusätzlicher Risiken und die verlässliche Kalkulation des Versorgungsaufwands, zu erreichen. Die Begrenzung auf das Alter 60 führt nach Auffassung des BAG zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten. Denn für das Versorgungsinteresse ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe geschlossen wurde. Zudem hat auch die Hinterbliebenenversorgung als Teil der betrieblichen Altersversorgung Entgeltcharakter und zwar für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit. Sie kann nicht einfach durch eine solche Regelung aufgehoben werden.

Auswirkungen des Urteils
Das Urteil hat grundsätzlich Auswirkungen auf alle Versorgungszusagen, die Hinterbliebenenleistungen für die Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner dergestalt vorsehen, dass die Todesfallleistung an das Alter anknüpft. Voraussetzung ist allerdings, dass der zeitliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet ist (Inkrafttreten: 18.08.2006), d.h. dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Wenn keine weiteren Leistungsvoraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenleistung vorliegen, müssen Arbeitgeber in solchen Fällen eine Hinterbliebenenversorgung gewähren.
Das BAG hat aber ausdrücklich festgestellt, dass eine Anknüpfung an die Eheschließung nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und/oder den Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer zulässig ist. Hier liegt eine Zäsur zum Arbeitsverhältnis vor, so dass es in diesen Fällen angemessen erscheint, die Ziele des Arbeitgebers wie die Begrenzung des Versorgungsrisikos und der Kosten nicht unberücksichtigt zu lassen.

Voraussetzungen für Hinterbliebenenversorgung

Wenn also in Versorgungsordnungen bei der Hinterbliebenenversorgung neben der Voraussetzung, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen sein muss noch alternativ hinzukommt, dass die Ehe auch nicht nach Ausscheiden beziehungsweise Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen sein darf, ist bei Vorliegen dieser alternativen Voraussetzungen keine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.