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Der Brexit, die Limited und die Altersversorgung

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M., Leiter Geschäftsbereich Beratung, zu den Hintergründen:

Der Brexit rückt näher und noch immer ist fraglich, ob es ein Austrittsabkommen oder einen sogenannten ungeordneten Brexit geben wird. Der Brexit betrifft viele Aspekte und bringt die eine oder andere nicht auf den ersten Blick ersichtliche Folge – zum Beispiel im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) – mit sich.

Dies betrifft unter anderem die bAV der „Directors“ einer „private company limited by shares“ (Limited).

Limited im Vergleich zur GmbH
In den Jahren 2003 bis 2008 erfreute sich die britische Rechtsform der Limited in Deutschland als Gesellschaftsform großer Beliebtheit. Die Rechtsform der Limited ist die für kleine und mittlere Unternehmen verwendete Unternehmensform und damit die verbreitetste Form der Kapitalgesellschaft im Vereinigten Königreich. Sie gleicht hinsichtlich ihrer Verbreitung insofern der deutschen GmbH. Aber für die Gründung einer Limited benötigte man nur ein Pfund, während man für die Gründung einer GmbH ein Mindeststammkapital von 25.000 Euro benötigt. Ferner wurde auch vielfach als Vorteil angepriesen, dass man weder bei der Gründung noch bei der späteren Anteilsübertragung eine notarielle Beurkundung braucht und somit auch Kosten sparen kann.

Europa und die Niederlassungsfreiheit
Die Verbreitung der britischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache „Inspire Art Ltd.“ (EuGH vom 30.9.2003 – RS C – 167/01) zurückzuführen. Bis zu dieser Entscheidung galt in Deutschland nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die sogenannte „Sitztheorie“. Das heißt, eine Gesellschaft, die in Deutschland ihren Sitz hat, wird nach deutschem Recht beurteilt. Dies hielt aber der EuGH in der „Inspire-Art-Entscheidung“ nicht für vereinbar mit der sogenannten Niederlassungsfreiheit, die eine der vier europäischen Grundfreiheiten darstellt. Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union (EU) bedeutet im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht, dass eine Gesellschaft, die nach den Gesetzen eines Mitgliedsstaates mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der EU gegründet wurde, berechtigt ist, sich in jedem Mitgliedstaat der EU niederzulassen. Daher vertritt der EuGH die Auffassung, dass es bei einer innerhalb der EU gegründeten Gesellschaft darauf ankommt, dass die Gesellschaft in ihrem Gründungsland und somit nach ihrem Heimatrecht anerkannt ist. Wechselt die Gesellschaft anschließend ihren Sitz, muss auch der EU-Mitgliedsstaat des neuen Sitzes die Gesellschaft anerkennen. Somit war ab dem Jahr 2003 eine verstärkte Anzahl von britischen Limiteds auf dem deutschen Markt zu verzeichnen. Der Boom der Limited ebbte allerdings ab, als 2008 die sogenannte haftungsbeschränkte Unternehmensgesellschaft (UG) in Deutschland eingeführt wurde, die mit nur einem Euro Stammkapital gegründet werden kann. Dennoch sind auch heute noch ca. 10.000 Limiteds auf dem deutschen Markt aktiv.

Generelle Auswirkungen des Brexit
Wenn das Vereinigte Königreich ab dem 30.3.2019 nicht mehr Mitglied der EU ist, gelten auch die Europäischen Verträge und damit die Niederlassungsfreiheit nicht mehr. Es handelt sich dann bei der britischen Limited vielmehr um eine Gesellschaftsform aus einem Drittstaat. Der BGH hat sich zwar für Gesellschaften, die aus der EU sind, der Rechtsprechung des EuGHs angeschlossen, er bleibt jedoch für Gesellschaften aus Drittstaaten bei der Sitztheorie. In Deutschland gilt der sogenannte Numerus Clausus der Rechtsformen. Das heißt, dass nur die Gesellschaftsformen, die im deutschen Gesellschaftsrecht vorgesehen sind, Beachtung finden. Nach dieser Sichtweise kann die Limited weder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) noch als Aktiengesellschaft (AG) anerkannt werden, da hier eine formale Gründung nach dem GmbH-Gesetz oder dem Aktiengesetz Voraussetzung und eine entsprechende Eintragung ins Handelsregister erforderlich ist.

Für die Limited kommt als Rechtsform daher nur die offene Handelsgesellschaft (OHG) in Betracht, soweit sie ein Handelsgewerbe betreibt, oder die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Wenn die Limited nur einen einzigen Gesellschafter hat, kann die Fortsetzung auch als einzelkaufmännisches Unternehmen erfolgen. Anzumerken ist jedoch: Wird das mit der EU bislang verhandelte Austrittsabkommen noch unterzeichnet, tritt diese Rechtsfolge nicht unmittelbar ein, sondern dann gilt bis zum 31.12.2020 Unionsrecht weiter.

Wechsel von der Kapital- zur Personengesellschaft: Auswirkung auf die bAV
Natürlich kann auch eine OHG, eine GbR oder ein Einzelkaufmann den Mitarbeitern eine bAV erteilen. Kritisch wird dies jedoch in den Fällen, in denen es um die Versorgung des ehemaligen Directors beziehungsweise späteren Gesellschafters oder Einzelkaufmanns geht. In diesen Fällen können die eingerichteten betrieblichen Altersversorgungssysteme nicht mit steuerlicher Wirkung fortgeführt werden.

Denn bei der OHG gehören die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit in ihrem Dienst erhält, zu seinen mitunternehmerischen Einkünften aus Gewerbebetrieb. Hierdurch wird verhindert, dass die Tätigkeitsvergütungen, die auf Ebene der steuerlichen Gewinnermittlung der Gesellschaft betrieblichen Aufwand darstellen, den Gesamtgewinn des Mitunternehmers mindern. Somit zählen auch Pensionszusagen zu den Vergütungen im Dienste der Gesellschaft. In der Steuerbilanz der OHG ist dann zwar eine Pensionsrückstellung auszuweisen. Zum Ausgleich der Gewinnminderung aus der Zuführung zur Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz der OHG ist in der Sonderbilanz des aus der Zusage begünstigen Gesellschafters die auf ihn entfallende Zuführung zu aktivieren. Somit entfaltet die weitere Zuführung zur Pensionsrückstellung keine steuerliche Wirkung mehr. Auch bei einer Versorgung über eine Unterstützungskasse ist ein weiterer Betriebsausgabenabzug nicht möglich, weil steuerlich betrachtet das Dienstverhältnis zwischen Director und Limited endet und eine Mitunternehmerschaft begründet wird, welche nicht mehr zum Betriebsausgabenabzug berechtigt.

Beim Einzelkaufmann fallen Schuldner und Gläubiger gar in einer Person zusammen, so dass die Schuld erlöschen würde. Da aber die Limited schon vor mehr als 10 Jahren beliebt war, können heute schon erhebliche Anwartschaften erworben worden sein, sodass sich die Frage stellt, wie man diese zukünftig fortsetzen kann.

Auswirkungen für Versorgungsträger
Neben den Limiteds und ihrem Management müssen sich aber auch körperschaftsteuerbefreite Versorgungseinrichtungen wie (Gruppen-)Unterstützungskassen dieses Themas annehmen. Denn ist die Limited zukünftig als Personengesellschaft zu qualifizieren, so zählen die zukünftigen Zuwendungen für die ehemalige „Directors-Versorgung“ zwar zum tatsächlichen, aber nicht zum zulässigen Kassenvermögen, weil die Zuwendungen der Limited auf Ebene der Gesellschaft nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Für von der Körperschaftsteuer befreite Einrichtungen ist das eine gewisse Gefahr – wird das zulässige Kassenvermögen zu weit überschritten, verliert die Einrichtung zumindest teilweise ihre Steuerfreiheit.

Lösungsansätze
Ziel sollte also zumindest im Interesse der Fortsetzung der bAV des ehemaligen Directors sein, dass weiterhin eine Kapitalgesellschaft vorliegt. Generell werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert, mit denen erreicht werden soll, dass die Limited als Kapitalgesellschaft weiter erhalten bleibt.

  • Die Limited überträgt ihre einzelnen Wirtschaftsgüter auf eine GmbH oder eine UG. Hier besteht unter Umständen die Gefahr, stille Reserven aufzudecken und diese versteuern zu müssen.
  • Ein grenzüberschreitender Formwechsel auf eine deutsche GmbH oder UG ist zwar nach der Rechtsprechung des EuGHs grundsätzlich möglich. Es fehlt aber an einheitlichen europäischen und nationalen Regelungen, sodass diese in der Praxis derzeit noch schwierig ist.
  • Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung bestehen zwar die entsprechenden rechtlichen Grundlagen, was die Verschmelzung einer englischen Limited auf eine deutsche GmbH erleichtert, aber das dazu notwendige Verfahren aus dem Vereinigten Königreich heraus erfordert erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. So ist zum Beispiel ein Verfahren vor dem „High Court of Justice“ mit einer öffentlichen Anhörung von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern erforderlich.
  • Bei einer grenzüberschreitenden Anwachsung gründen die Gesellschafter der Limited eine beteiligungsidentische GmbH oder UG, in die sie die Anteile der Limited als Sacheinlage einbringen. Die neue GmbH oder UG ist Alleingesellschafterin der Limited. Mit dem Wirksamwerden des Brexits gehen sämtliche Aktiva und Passiva auf die GmbH beziehungsweise UG als Alleingesellschafterin über. Nachteil ist hierbei, dass der Zeitpunkt letztlich nicht mehr selbst bestimmt wird, sondern von der Stichtagsregelung des Brexits abhängt, falls es eine solche geben wird.

Fazit:

Welcher Weg im Einzelfall zielführend ist, bedarf einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände. Der weitere Umgang mit der bAV sollte hier aber in jedem Fall einfließen. Denn wenn diese mit steuerlicher Wirkung fortgesetzt werden soll, muss zwischen der Gesellschaft auch ein steuerlich anerkanntes Dienstverhältnis und keine Mitunternehmerschaft bestehen. In Anbetracht des bevorstehenden Brexits und der ungeklärten Frage, ob dieser im Rahmen eines Austrittsabkommens oder ungeregelt erfolgt, besteht derzeit dringender Handlungsbedarf.