STANDPUNKT

Die Politik wacht auf: Änderungen am HGB-Rechnungszins und am steuerlichen Diskontsatz

Mark Walddörfer, Geschäftsführer der Longial GmbH, zu den Änderungen am HGB-Rechnungszins:

Die teils desaströsen Auswirkungen des Sinkfluges der handelsbilanziellen Abzinsungssätze für Pensionsverpflichtungen beherrschen derzeit die Presse. Insbesondere Unternehmen des (gehobenen) Mittelstandes leiden massiv unter den Wirkungen der Zinsschmelze, die nach zunächst moderatem Verlauf besonders in den Jahren 2015 und 2016 deutlich an Fahrt aufnimmt.

Zum Jahresende 2015 ist nach gegenwärtigem Stand mit einem Zins von 3,89 Prozent zu rechnen. Die Negativwirkungen sind dabei doppelter Natur: Zum einen bewirkt ein Rückgang des Rechnungszinses einen Anstieg der Pensionsrückstellung. Wohlgemerkt, ohne dass sich die zukünftig zu finanzierenden Leistungen verändern würden! Dieser Effekt ist nach den Vorschriften der handelsbilanziellen Rechnungslegung komplett durch die Gewinn- und Verlustrechnung zu führen und mindert somit den Unternehmensgewinn. Zum anderen sorgt das immer weitere Auseinanderfallen von handelsrechtlichem und steuerrechtlichem Zins für das Entstehen von Scheingewinnen, die zu versteuern sind.
Im besten Fall sorgen diese Effekte nur für eine Reduktion der Unternehmensgewinne oder einen verminderten Investitionsspielraum. Im schlimmsten Fall – und dieser ist verschiedentlich tatsächlich eingetreten – führt das zur Insolvenz der betroffenen Unternehmen. 

Wirtschaft fordert Politik auf, aktiv zu werden
Entsprechend vernehmlich sind daher die Rufe aus der Wirtschaft an die Politik, hier Einhalt zu gebieten. Und die Rufe verhallen nicht ungehört! Noch vor der Sommerpause am 18.05.2015 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Entschließung (BT-Drs. 18/5256) und forderte darin die Bundesregierung auf, eine angemessene Neuregelung für die Ermittlungsmethode des nämlichen Rechnungszinses vorzuschlagen. Man denkt dabei an eine Verlängerung des Bezugszeitraums für die Ermittlung des Durchschnittszinses von derzeit sieben Jahren.

Dann kamen die parlamentarische Sommerpause und anschließend die Flüchtlingskrise, sodass zu befürchten war, die Thematik könnte erst einmal hinten angestellt werden. Es wäre fatal, wenn die Bundesregierung das Thema auf die lange Bank schieben würde. Zumindest die Unternehmen, die ihren Jahresabschluss zum 31.12.2015 feststellen, sollen noch davon profitieren. Es ist daher zu begrüßen, dass der Bundesrat am 25.09.2015 auf Empfehlung seines Wirtschaftsausschusses die Bundesregierung ebenfalls auffordern wird, den Zinsverfall zu bremsen.
Die Regierung selbst hat bereits im Juli in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (BT-Drs. 18/5950) zugesagt, den HGB-Rechnungszins zu überprüfen. Ebenfalls erfreulich ist, dass das Bundesfinanzministerium damals auch ankündigte, dass der steuerrechtliche Rechnungszins – immer noch bei 6 Prozent liegend – auch Gegenstand einer Überprüfung sei.  

Fazit: Daumen drücken!

Es bleibt zu hoffen, dass den vielen Aufforderungen und Absichtserklärungen auch bald Konkretes folgt. Denn sollte das Geschäftsjahr 2015 von der ganzen Wucht der Zinsschmelze nach gegenwärtigem Rechtsstand erfasst werden, brächte das einige Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten. Wohlan denn, liebe Bundesregierung, lass Taten sprechen – es wird Zeit!