20. Februar 2018

Aktuelle BAG-Urteile zur bAV: Altersabstandsklausel und Pflicht zur Insolvenzsicherung

Die beiden heutigen Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Wirksamkeit einer Altersabstandsklausel in einer Versorgungsordnung (3 AZR 43/17) sowie zur Insolvenzversicherungspflicht im Rahmen der Einstandspflicht eines Unternehmens (3 AZR 142/16) haben weitreichende Auswirkungen. Bernd Wilhelm, Leiter Beratung bei der Longial GmbH, fasst sie zusammen.

 

Urteil zur Abstandsklausel: Verstoß gegen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz?

In dem der ersten Entscheidung (3 AZR 43/17) zugrundeliegenden Fall klagt eine Witwe, die mehr als 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Mann ist, auf eine höhere Witwenrente aus einer Versorgungsordnung. Allerdings enthielt diese Zusage hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung eine Regel, dass eine Hinterbliebenenrente nur gewährt werde, wenn der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Berechtigte – im vorliegenden Fall der Verstorbene. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, diese sogenannte Altersabstandsklausel aus einer Versorgungsordnung – und somit der Leistungsausschluss – verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Da der ehemalige Arbeitgeber inzwischen in Insolvenz gegangen ist, richtete sich die Klage gegen den Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSVaG). Die beiden vorhergehenden Instanzen (ArbG Köln, 2 Ca 9521/14, und LAG Köln, 11 Sa 81/16) gaben der Klägerin Recht. Der beklagte Träger der Insolvenzsicherung legte Berufung ein. 

Bisherige Ansicht des BAG

Bereits in einem anderen Fall hatte das BAG entschieden, dass der vollständige Leistungsausschluss eine übermäßige Beeinträchtigung des anerkannten Interesses an der Versorgung des Ehepartners darstellt. Und dieses Interesse bestehe unabhängig vom Zeitpunkt der Eheschließung. Der Ausschluss vernachlässige den Entgeltaspekt der bAV, wonach diese eine Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebstreue darstellt (BAG, 3 AZR 137/13).

Entscheidung: Wende in der Ansicht des BAG

„Nach Ansicht des BAG ist die durch diese Altersabstandsklausel bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt und damit die Klausel nicht zu beanstanden“, fasst Bernd Wilhelm das Urteil zusammen und ergänzt: „Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, hat ein legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko einer lebenslangen Hinterbliebenenrente zu begrenzen.“ Laut BAG ist die Altersabstandsklausel erforderlich und angemessen. Sie führt nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die von der Klausel betroffen sind. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Zudem werden wegen des Altersabstands von mehr als 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner den üblichen Abstand erheblich übersteigt. 

Urteil zur Frage: Pensionskasse und gesetzliche Insolvenzsicherung – geht das?

Bei der zweiten Entscheidung (3 AZR 142/16) hatte sich das BAG mit der Fragen zu befassen, ob der PSV für die beim Arbeitgeber bestehende Auffüllungsverpflichtung einer Pensionskassenrente einstehen muss, wenn er insolvent ist?

Insolvenz des Arbeitgebers und Herabsetzen der Pensionskassenleistung

Im vorliegenden Fall hatte die Pensionskasse die Betriebsrente des klagenden Arbeitnehmers gekürzt. Der Arbeitgeber war von den Vorinstanzen zum Ausgleich der Differenzen aus der Leistungsherabsetzung der Pensionskasse und somit zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers verurteilt worden. Ein Jahr später ging der Arbeitgeber in die Insolvenz. Der betroffene Arbeitnehmer sieht eine Insolvenzversicherungspflicht des PSV für die Differenzbeträge. „Allerdings besteht für Leistungen, die über eine Pensionskasse gewährt werden, grundsätzlich keine Beitragspflicht beim PSV“, erläutert Bernd Wilhelm und fährt fort: „Der Kläger begründet den Anspruch folgendermaßen: Wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen im Rahmen der Auffüllverpflichtung nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG herabsetzt  und der Arbeitgeber die Differenz übernimmt, dann wird der gewählte Durchführungsweg, also die mittelbare Versorgung über eine Pensionskasse, wieder verlassen.“ Gemäß der Auffüllverpflichtung hat der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen, wenn die Durchführung der bAV nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Daher spielen bei der Beurteilung des vorliegenden Falls die Verhältnisse beim Arbeitgeber und dessen Insolvenz die entscheidende Rolle, nicht die Verhältnisse bei der Pensionskasse.

Entscheidung an Europäischen Gerichtshof weitergeleitet

Der Dritte Senat geht davon aus, dass das nationale Recht keine Eintrittspflicht des PSV für Kürzungen von Leistungen der bAV vorsieht, wenn die Leistungen im Durchführungsweg Pensionskasse erbracht werden. Eine Haftung des PSV kann sich daher allenfalls aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG ergeben. Fraglich ist nach Auffassung des BAG, ob die Norm Anwendung findet, wenn ein Arbeitgeber aufgrund eigener Zahlungsunfähigkeit die Kürzungen der Pensionskassenrente nicht ausgleichen kann. Wichtig für die Entscheidung ist zudem, unter welchen Voraussetzungen nach dieser Richtlinie ein staatlicher Insolvenzschutz gewährleistet wird und ob sich der Arbeitnehmer deshalb auch gegenüber dem PSV auf die Vorschrift berufen kann. Das BAG hat nun den Gerichtshof der Europäischen Union um die Beantwortung der Fragen ersucht.