25. September 2025

Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II): Regierungsentwurf vom 3.9.2025 – Betriebsrentenreform 2.0

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) steht 2025 erneut im Fokus der Politik. Nach den vorgezogenen Neuwahlen im Februar dieses Jahres und dem Regierungswechsel hat die neue Koalition das Thema ausdrücklich in den Koalitionsvertrag aufgenommen.

Angesichts einer alternden Gesellschaft, steigender Beitragssätze und der Debatte um die Sicherung des Rentenniveaus steht die gesetzliche Rentenversicherung unter wachsendem Druck. Vor diesem Hintergrund ist die bAV als zweite Säule der Alterssicherung weiterhin und noch stärker ein zentrales Element für die Altersvorsorge. 

Mit dem am 3.9.2025 veröffentlichten Regierungsentwurf für das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II) knüpft die Bundesregierung an die bisher noch nicht umgesetzten Reformvorhaben der Vorgängerregierung an. Ziel ist eine erhebliche Vereinfachung, Entbürokratisierung und Digitalisierung der bAV, eine stärkere Förderung von Beschäftigten mit niedrigem Einkommen und die Schaffung neuer kollektivrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. 

Die wesentlichen Änderungen im Überblick:

Erhöhung der Abfindungsgrenze
Die Abfindungsgrenze (§ 3 BetrAVG) soll für solche Fälle verdoppelt werden, in denen die Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft bzw. einer laufenden Rente einvernehmlich erfolgt und der Abfindungsbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Dies soll durch § 3 Nr. 55c Satz 2 Buchst. b EStG steuerlich flankiert werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass es trotz Abfindung allein zu einer nachgelagerten Besteuerung der Leistung kommt. 

Erweiterung der Opting-Out-Regelung und des Sozialpartnermodells
Nach dem Gesetzesvorhaben sollen Opting-Out-Regelungen erleichtert werden. Hierbei handelt es sich um die Möglichkeit für Arbeitgeber, ihre Beschäftigten automatisch in eine arbeitnehmerfinanzierte bAV einzubeziehen, sofern diese nicht aktiv widersprechen. Neu im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage ist, dass auch ohne tarifvertragliche Grundlage ermöglicht wird, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zur Entgeltumwandlung in Form des Opting-Out zu treffen. Anders als noch im Gesetzesvorhaben aus dem vergangenen Jahr vorgesehen, soll es aber eine Einschränkung geben: Die neue Möglichkeit soll allein für solche Entgeltansprüche offenstehen, die nicht in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind und auch nicht üblicherweise dort geregelt werden.

Voraussetzung für die Einführung für eines solchen Systems ist zudem ein Arbeitgeberzuschuss von mindestens 20 Prozent auf den umgewandelten Betrag. Zum Vergleich: Die Zuschusspflicht nach § 1a Abs. 1a BetrAVG beträgt aktuell 15 Prozent. Damit erweitert sich der Gestaltungsspielraum für Arbeitgeber, gleichzeitig steigt aber die finanzielle Belastung.

Auch die Verbreitung von Sozialpartnermodellen soll gefördert werden. Sozialpartnermodell bedeutet die tarifvertragliche Regelung einer bAV in Form der reinen Beitragszusage (§ 21 Abs. 1 BetrAVG-E). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen grundsätzlich die Anwendung eines für sie einschlägigen Sozialpartnermodells vereinbaren können. Auch soll die Anwendung eines nicht einschlägigen Sozialpartnermodells vereinbart werden können, wenn ein für das Arbeitsverhältnis einschlägiger Tarifvertrag dies eröffnet oder die das Sozialpartnermodell tragende Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das Arbeitsverhältnis tarifzuständig ist. In jedem Fall bedarf es dabei der Zustimmung der das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien (§ 24 Abs. 4 BetrAVG-E). 

Förderung von Beschäftigten mit niedrigem Einkommen – erst ab 1.1.2027
Eine verbesserte Förderung der bAV von Beschäftigten mit niedrigem Einkommen soll über die Neuregelung in § 100 EStG-E umgesetzt werden. Die aktuell dort fixe monatliche Einkommensgrenze soll dynamisiert werden. Sie soll künftig 3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung betragen. Gleichzeitig ist auch eine Erhöhung des Förderhöchstbetrags von 288 auf 360 Euro geplant; damit wären pro Jahr anstatt 960 Euro bis zu 1.200 Euro förderfähig. Die Förderquote von 30 Prozent bleibt gleich. In dem Gesetzesvorhaben aus dem letzten Jahr war diese Änderung ebenfalls enthalten. Ihr Inkrafttreten war damals für den 1.1.2025 geplant. Nach dem aktuellen Gesetzesvorhaben tritt die Neuregelung nun hingegen erst zum 1.1.2027 in Kraft. Arbeitgeber könnten dann von höheren Steuervergünstigungen profitieren, die Beschäftigte mit geringeren Einkommen adressieren. 

Vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente – erst ab 1.1.2027
Auch die Änderungen zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente (§ 6 BetrAVG-E) übernimmt der vorliegende Gesetzesentwurf aus dem Gesetzesentwurf des Vorjahres. Künftig sollen Beschäftigte auch bereits dann vorzeitig eine Betriebsrente - mit den ggf. entsprechenden Abschlägen - in Anspruch nehmen können, wenn sie eine als Teilrente geleistete Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Der Bezug der gesetzlichen Rente als Vollrente wäre dann nicht länger erforderlich (soweit das jeweilige Versorgungswerk nicht ohnehin günstigere Regelungen vorsieht). Und auch diese Änderung soll nun erst später in Kraft treten, als es im vergangenen Jahr geplant war, nämlich zum 1.1.2027 statt zum 1.7.2026. Unternehmen und Versorgungsträger erhalten dadurch längere Übergangsfristen, um sich auf die Gesetzesänderungen einzustellen.

Evaluierung der Sozialpartnermodelle (§ 30a BRSG II)
Gemäß § 30a des vorliegenden Entwurfs soll das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bis zum 31.12.2030 untersuchen, ob die Verbreitung der bAV auch aufgrund der vorgesehenen Öffnung von Sozialpartnermodellen erkennbar gestiegen ist.

Damit wird die Evaluierung nun - anders als in dem letztjährigen Gesetzesvorhaben - zielgerichtet auf die Sozialpartnermodelle fokussiert und zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen. Diese Regelung erzwingt eine fundierte Bewertung der Reformmaßnahmen und ihrer konkreten Auswirkungen auf die bAV.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren – Weitblick
Nach dem Kabinettsbeschluss beginnt nun das parlamentarische Verfahren. Der Entwurf wird in den drei Lesungen im Bundestag beraten und anschließend im Bundesrat behandelt. Anpassungen an den geplanten Änderungen sind aufgrund von Stellungnahmen des Bundesrates und/oder Verbänden noch möglich. Bei planmäßigem Verlauf ist mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im vierten Quartal 2025 zu rechnen, sodass die Verkündung noch vor Jahresende erfolgen dürfte.

Svenja Nutsch, Justiziarin Recht |Steuer, Longial