01. Dezember 2021

Zur Bildung von Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz für wertpapiergebundene Direktzusagen ohne garantierte Leistungshöhe

FG Münster-Urteil vom 18.3.2021 – 10 K 4131/15 K, G, F: Dürfen Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz auch für unmittelbare Versorgungszusagen gebildet werden, deren Leistungsspektrum dem einer fondsgebundenen Versicherung ohne Garantieleistung entspricht? Ja, urteilte überraschend das FG Münster.


Die Ausgangslage
In den Jahren 2009 bis 2012 erteilte eine GmbH ihren Arbeitnehmern unmittelbare Versorgungszusagen. Jährlich entschied der Arbeitgeber über den Aufwand, den er für diese Zusagen treiben wollte. Auch die Arbeitnehmer konnten jährlich per Entgeltumwandlung das Versorgungswerk finanzieren. Die in Aussicht gestellten Leistungen entsprachen dabei den Leistungen von fondsgebundenen Versicherungen, die mit Beiträgen in Höhe des getriebenen Aufwandes zur Rückdeckung abgeschlossen und an die Arbeitnehmer verpfändet wurden. Die Versicherungen sahen keine Garantieleistungen vor. Zugesagt wurde insoweit der im Leistungsfall aus der Versicherung freiwerdende Policenwert (gegebenenfalls mit einem geeigneten Faktor verrentet, soweit die Versorgungsleistung als lebenslange Leistung erbracht werden sollte). Dieser Wert konnte – da im vorliegenden Fall keine Garantiefonds gewählt wurden – also gegebenenfalls 0 Euro betragen. Die Firma bildete für die Verpflichtungen aus den betreffenden Direktzusagen Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz in Höhe der Aktivwertsumme, die zum jeweiligen Bilanzstichtag dem Arbeitgeber vom Versicherer mitgeteilt worden war.

Keine Möglichkeit der Rückstellungsbildung nach Meinung der Finanzverwaltung
Nach Auffassung der Finanzverwaltung war die Bildung von Pensionsrückstellungen mit steuerlicher Wirkung jedoch aus mehreren Gründen nicht möglich: So läge bei einer Zusage ohne Garantieleistung eine reine Beitragszusage vor, die im Falle einer Direktzusage keine bAV im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) darstelle. Des Weiteren dürfe nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) eine Pensionsrückstellung nur dann gebildet werden, wenn auch ein Rechtsanspruch auf Leistungen bestünde. Dies setze das Vorliegen eines Rechtsanspruchs nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach voraus, woran es im vorliegenden Fall mangele. Darüber hinaus läge ein schädlicher Vorbehalt nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 2. Fall EStG vor, weil die zugesagten Leistungen bei ungünstiger Entwicklung des Fonds, der den Rückdeckungsversicherungen hinterlegt war, gemindert oder ganz entzogen werden könnten. Im Übrigen sei die Entwicklung des Fonds noch ungewisser als die Entwicklung von gewinnabhängigen Bezügen, von denen eine Zusage nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 1. Fall EStG auch nicht abhängen dürfe, um eine Rückstellungsbildung zu ermöglichen.

Die Meinung des FG zur Bildung von Pensionsrückstellungen dem Grunde ...
Letztlich machte sich das Finanzgericht (FG) aber keines dieser Argumente zu eigen. So ist nach Auffassung des Gerichtes keineswegs ausgeschlossen, dass eine bAV auch dann von den Bestimmungen des § 6a EStG erfasst sei, wenn sie nicht unter den Regelungsbereich des BetrAVG falle. Dieser Fall läge hier aber womöglich gar nicht vor. Denn Zusagen ohne Mindestleistung könnten durchaus als beitragsorientierte Leistungszusagen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG angesehen werden. Das Bundesarbeitsgericht hält eine Mindestleistung für erforderlich. Jedenfalls ließe sich aus dem Gesetz die Notwendigkeit einer Garantieleistung hierfür nicht zwingend ableiten. Auch werde nicht verlangt, dass bereits während der Anwartschaft die Höhe der auf den Beiträgen beruhenden Leistung konkretisiert würde. Vielmehr sei, wie im vorliegenden Fall, eine Umrechnung im Leistungsfall ausreichend. Insoweit bestünde hier durchaus auch der Höhe nach ein Rechtsanspruch. Dieser könne auch nicht nach Belieben vom Arbeitgeber gemindert oder entzogen werden, denn auf die Bemessungsgröße der zugesagten Leistung, also auf die Entwicklung des Fonds, habe dieser naturgemäß gar keinen Einfluss. Ob schließlich die Entwicklung eines Fonds tatsächlich als noch ungewisser als die Entwicklung von gewinnabhängigen Bezügen anzusehen sei, war nach Ansicht des Gerichts ebenso fraglich. Es spielte im Ergebnis aber auch keine Rolle, da § 6a EStG nur Aussagen zur Schädlichkeit der Abhängigkeit von gewinnabhängigen Bezügen, aber eben nicht zu einer etwaigen Schädlichkeit der Abhängigkeit von Fondsentwicklungen treffen würde.  

... und der Höhe nach.
Allerdings widersprach das FG der Auffassung des Arbeitgebers, wonach für die betreffenden Verpflichtungen in der Steuerbilanz Pensionsrückstellungen in Höhe der Aktivwerte der vorhandenen Rückdeckungsversicherungen zu bilden seien. Dies entspräche nicht den Rechenregeln des § 6a EStG für die Bildung von Pensionsrückstellungen. Es gäbe im vorliegenden Fall auch keinen Anlass, von diesen abzuweichen. Demnach sind die Pensionsrückstellungen nach dem üblichen Teilwertverfahren zu bemessen. Im Falle einer Entgeltumwandlung ist mindestens der Barwert der am Bilanzstichtag erdienten Leistung anzusetzen. Insbesondere sei also die erdiente Leistung auf den Bilanzstichtag abzuzinsen. Die am Bilanzstichtag erdiente beziehungsweise zugesagte Leistung entspricht dabei nach Auffassung des FG im vorliegenden Fall dem Deckungskapital der jeweiligen Rückdeckungsversicherung. Dass sich dieses Deckungskapital im Anschluss erhöhen oder vermindern kann, gegebenenfalls sogar auf 0 Euro, sei nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG insoweit nicht zu berücksichtigen, da allein die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich seien. 

Fazit  

Die Entscheidung des FG ist auf den ersten Blick überraschend. Denn die Argumente der Finanzverwaltung wirken zunächst überzeugend. Doch sie kommen ins Wanken, was letztlich damit zusammenhängt, dass es an der Eindeutigkeit der gesetzlichen Bestimmungen mangelt, auf die sie sich gründen. Dies betrifft im vorliegenden Fall unter anderem wieder einmal die Frage, welche Kriterien für das Vorliegen einer bAV – sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus steuerlicher Sicht – im Allgemeinen und für das Vorhandensein einer beitragsorientierten Leistungszusage im Besonderen zu erfüllen sind. Man würde sich diesbezüglich (endlich) eine Klarstellung des Gesetzgebers  wünschen. 

Erfolgt höchstrichterliche Bestätigung?
Vor diesem Hintergrund kann man sich der Argumentation des FG derzeit nicht ganz verschließen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob das Urteil höchstrichterlich bestätigt wird. Das Verfahren ist inzwischen beim Bundesfinanzhof anhängig (BFH, XI R 25/21). Sollte sich der BFH der Sichtweise des FG anschließen, steht zudem zu befürchten, dass am Ende der Gesetzgeber auf den Plan treten könnte. 
(Dann womöglich aber nicht, um die oben erwähnten Klarstellungen grundsätzlicher Art auf den Weg zu bringen, sondern um den § 6a EStG um einen weiteren Vorbehalt für die Bildung von Pensionsrückstellungen zu ergänzen.)
 

i Was ist zu tun?

  • Das Interesse von Arbeitgebern, für die bAV den besonders flexiblen Durchführungsweg der unmittelbaren Versorgungszusage zu wählen und dabei das wirtschaftliche Risiko vollständig auf den Arbeitnehmer auszulagern, ist seit jeher groß. Man sollte aus dem vorliegenden FG-Urteil aber nicht schließen, dass hierfür nun auch mit steuerlicher Wirkung der Weg geebnet ist. Denn die weitere Entwicklung – insbesondere die Entscheidung des BFH – sollte vorsichtshalber abgewartet werden. Auch arbeitsrechtlich ist, zumindest bei Entgeltumwandlung, fraglich, ob eine Leistung unterhalb der Beitragssumme überhaupt zulässig ist. Arbeitgeber, welche die Einführung solcher Versorgungsmodelle planen, sollten sich also besser noch in Geduld üben, wenn sie auf die steuerliche Anerkennung eines solchen Versorgungswerkes Wert legen.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Versorgungsträger-Management, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Unterstützungskassen und für deren Jahresabschluss).