06. Dezember 2023

... was unter dem „Auszehrungsverbot“ in der betrieblichen Altersversorgung zu verstehen ist?

Das sogenannte Auszehrungsverbot ist in § 5 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) geregelt. Aus § 5 Abs. 1 BetrAVG geht hervor, dass eine beim Eintritt des Versorgungsfalles festgesetzte betriebliche Leistung Bestand haben soll, so dass sie nicht durch Erhöhungen anderer Versorgungsleistungen gemindert werden darf, wenn diese auf einer Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung beruhen.

Zu anderen Versorgungsleistungen gehört insbesondere auch die gesetzliche Rentenversicherung.

Regelungszweck
Die Regelung des § 5 Absatz 1BetrAVG soll verhindern, dass fällige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei einer Gesamtversorgungszusage dadurch nachträglich entwertet werden, dass sich anrechenbare Versorgungsbezüge durch die Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung erhöhen. Mit Eintritt des Versorgungsfalls wird die vom Arbeitgeber zu erbringende Versorgungsleistung als Mindestleistung festgeschrieben. Sie kann durch steigende, andere anrechenbare Versorgungsbezüge nicht mehr vermindert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesamtversorgungszusage selbst dynamisiert ist oder die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten wird. Das Auszehrungsverbot bezieht sich nur auf laufende Versorgungsleistungen, nicht jedoch auf Anwartschaften.

Beispiel zum Auszehrungsverbot
Setzt sich beim Rentenbeginn die Gesamtrente von 3.000 Euro aus 2.000 Euro Rente aus der Sozialversicherung und 1.000 Euro Betriebsrente zusammen, darf die Betriebsrente von 1.000 Euro nicht mehr gemindert, also ausgezehrt werden, wenn die Rente der Sozialversicherung an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wird. Bei einer anpassungsbedingten Steigerung der Sozialversicherungsrente um 100 Euro wäre es folglich unzulässig, die Betriebsrente auf 900 Euro zu kürzen, um das Gesamtrentenniveau von 3.000 Euro festzuschreiben. Die beim Leistungsbeginn festgesetzte Betriebsrente von 1.000 Euro ist daher grundsätzlich zusätzlich zur Sozialversicherungsrente zu gewähren, so dass die Gesamtrente nach der Erhöhung der Sozialversicherungsrente 3.100 Euro beträgt.

Ausnahmen
Es ist jedoch zulässig, Erhöhungen anderer Versorgungsleistungen zur Minderung der laufenden betrieblichen Leistung dann zu verwenden, wenn die Erhöhungen nicht auf der wirtschaftlichen Entwicklung beruhen.

Während der Anwartschaft kann eine Anrechnung anderer Bezüge bei der Bestimmung der Betriebsrente vereinbart oder eine Begrenzung einer Gesamtversorgung auf einen Höchstbetrag vorgesehen werden. Allerdings dürfen hierbei ausweislich § 5 Absatz 2 des Betriebsrentengesetzes keine Versorgungen angerechnet werden, die ganz oder zu mehr als 50 Prozent vom Versorgungsberechtigten selbst finanziert werden.

Fazit

Im Rahmen einer Gesamtversorgungszusage können andere Versorgungsleistungen zwar grundsätzlich auf die betriebliche Altersversorgung angerechnet werden. Zu dieser grundsätzlichen Anrechnungsmöglichkeit enthält das Auszehrungsverbot jedoch zwei Ausnahmen. Einerseits dürfen spätere Erhöhungen anderer Versorgungsbezüge nicht angerechnet werden, nachdem der Versorgungsfall eingetreten und die Höhe der Betriebsrente dadurch festgelegt ist - sofern die Erhöhung auf einer Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung beruht. Denn Sinn und Zweck dieser Regelung ist es zu verhindern, dass die Anpassung anderer Versorgungsbezüge an die wirtschaftliche Entwicklung bei Gesamtversorgungszusagen für den Arbeitnehmer durch Anrechnung auf seine betriebliche Altersversorgung wirkungslos wird. Andererseits ist die Anrechnung derjenigen Versorgungen ausgeschlossen, die ganz oder zu mehr als 50 Prozent vom Versorgungsberechtigten selbst finanziert werden.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial