15. November 2017

Verbeitragung einer Abfindungszahlung aus einer bAV (LSG Hessen-Urteil vom 9.2.2017 – L 1 KR 67/15)

Das Landessozialgericht (LSG) Hessen hatte zu entscheiden, ob eine Abfindung von Versorgungsanwartschaften aus einer Unterstützungskasse ein Arbeitsentgelt oder einen Versorgungsbezug darstellen.


Konkret musste das Gericht im vorliegenden Fall entscheiden, ob eine Abfindung von Versorgungsanwartschaften aus einer Unterstützungskasse in einem laufenden Arbeitsverhältnis ein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB (Sozialgesetzbuch) IV darstellt, wie die beklagte Krankenkasse befand, und damit klären, ob daraus Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten sind. Oder ob die Abfindung als Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V zu werten ist, der nur zur Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig ist und nicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, wie die Klägerin behauptete.

Dabei steht die Frage im Hintergrund, ob die vorzeitige Auszahlung einer bAV dazu führt, dass im Hinblick auf die Verbeitragung dieser Leistung der Charakter eines Versorgungsbezugs nachträglich verloren geht.

Krankenkasse nicht zuständig für Entscheidung über Erstattung für den Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung

Das LSG entschied, dass die beklagte Krankenkasse gemäß § 26 SGB IV zur Entscheidung über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zuständig sei, da ihr die entsprechenden Beiträge zugeflossen sind. Über die Entscheidung zur Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge für die Pflegeversicherung fehlt der gesetzlichen Krankenkasse jedoch die gesetzliche Grundlage.

Erstattung der zu Unrecht entrichteten (Arbeitnehmer-)Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung

Das Gericht stellte fest, dass die Abfindung ein Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V sei. Denn eine Leistung aus einer Unterstützungskasse sei eine Leistung der bAV gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Auch wenn sie im vorliegenden Fall als Kapital erbracht wurde, wird sie vom Anwendungsbereich des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V erfasst. Die Tatsache, dass die Leistung während eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses erbracht wurde und nicht erst nach Eintritt des Versorgungsfalls, hindert die Anwendung nicht. Aufgrund seiner syntaktischen Verknüpfung sei der Wortlaut des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V dahin zu verstehen.

Für die beitragsrechtliche Beurteilung der Abfindung sei insbesondere nicht der § 14 SGB IV heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gelte im Anwendungsbereich des § 229 SGB V diese Vorschrift als abschließende Spezialregelung auch für die anderen Sozialversicherungszweige. Dies folge aus der Wertung des § 229 SGB V und der eigenständigen Erfassung der Versorgungsbezüge in § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, welcher es nicht bedurft hätte, wenn sie bereits als Arbeitsentgelt gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V iVm § 14 Abs. 1 SGB IV zu werten wären. Auch durch die Neuregelung des § 229 Abs. 1 SGB V zum 1.1.2004 habe sich daran nichts geändert. 

Abfindungen aus unverfallbaren Anwartschaften aus einer bAV kein Arbeitsentgelt

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die von der beklagten Kasse zur Begründung angeführten gegenteiligen Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger keine Rechtsnormqualität haben. Die Spitzenorganisation der Sozialversicherung habe überdies seit dem 20.4.2016 ihre Beurteilung angepasst, weil sie inzwischen von einer ständigen Rechtsprechung des BSG ausgeht und folglich Abfindungen aus unverfallbaren Anwartschaften aus einer bAV, die vor Eintritt des Versorgungsfalls gezahlt werden, nicht mehr als Arbeitsentgelt nach § 14 SGB V behandeln. Die Arbeitnehmerbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sind folglich zu Unrecht entrichtet worden und von der beklagten Krankenkasse zu erstatten.

Abfindungen KV-beitragsfrei

Der nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu berechnende Zahlbetrag der beitragspflichtigen Abfindung (hier: Abfindung in Höhe von 7.665 Euro durch 120 dividiert ergibt einen monatlichen Betrag in Höhe von 63,88 Euro) übersteigt im zugrunde liegenden Einzelfall jedoch nicht die Grenze des § 226 Abs. 2 SGB V (ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße im Jahr 2011 beträgt 127,75 Euro).

Die Abfindung ist somit hinsichtlich der Krankenversicherung beitragsfrei, der entsprechende Beitrag zu Unrecht entrichtet und von der Krankenkasse zu erstatten.

Fazit:

Ein weiteres Urteil, welches die Rechtsprechung des BSG stützt und offenlegt, dass selbst die Spitzenorganisation der Sozialversicherung mittlerweile davon ausgeht, dass Abfindungsleistungen Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V sind und nur zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verbeitragt werden müssen.

 

Vanessa Angel, Syndikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial