27. Mai 2020

Update: Umsetzung des Versorgungsausgleichs in der Praxis (Antrag von Bündnis 90/Die Grünen – BT-Drs 19/17793 – und BVerfG-Urteil vom 10.3.2020 – 1 BvL 5/18)

Der Versorgungsausgleich steht aktuell im Fokus von politischen und gerichtlichen Entscheidungen.


Antrag: Zeitpunkt des Versorgungsausgleichs anpassen
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen möchte mit ihrem Antrag die Prüfung erwirken, ob eine Durchführung des Versorgungsausgleichs erst bei Eintritt ins Rentenalter erfolgen könne. Im Zeitpunkt der Ehescheidung soll hinsichtlich des Versorgungsausgleichs nur festgestellt werden, wie lange die Ehezeit andauerte und welche Anrechte in dieser Zeit erworben wurden. Dadurch soll erreicht werden, dass Veränderungen von Ehezeitanteilen, die sich bis zum Renteneintritt zum Beispiel durch die Neubewertung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder oder die beschlossene Grundrente ergeben können, automatisch berücksichtigt werden. Derzeit muss der Berechtigte eine für ihn vorteilhafte Veränderung eigenständig erkennen und im Rahmen eines Abänderungsverfahrens selbst gerichtlich geltend machen. Jedoch soll bereits im Zeitpunkt der Ehescheidung ein Auskunftsanspruch über den Wert des Ehezeitanteils bestehen, auch wenn die Teilung der Anrechte endgültig erst im Zeitpunkt des Renteneintritts erfolgen soll.

Umsetzung realistisch?
Es darf bezweifelt werden, dass sich ein solches Verfahren durchsetzen wird. Denn Abänderungsentscheidungen werden nach aktueller Gesetzeslage nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen und sind damit eher als Ausnahme denn als Grundsatz zu betrachten. Grundsätzlich sollte durch die Neuregelung des Versorgungsausgleichsrechts erreicht werden, dass die Versorgung der ehemaligen Ehegatten bereits bei der Scheidung endgültig getrennt und voneinander unabhängig geführt werden kann. Dies würde durch die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen konterkariert.

Bundesverfassungsgericht prüft die Verfassungsmäßigkeit der externen Teilung
Zudem ist die externe Teilung und die damit vermeintlich einhergehenden Transferverluste Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung geworden (BVerfG-Urteil vom 10.3.2020 – 1 BvL 5/18). Der Bundesgerichtshof (BGH) konnte in seiner Entscheidung vom 9.3.2016 (XII ZB 540/14) keinen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz, das heißt einer gleichen Aufteilung des Erworbenen zwischen den beteiligten Ehepartnern, feststellen, wenn der Versorgungsträger des zu teilenden Anrechts sich für eine externe Teilung unter Berücksichtigung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz(BilMoG)-Zinssatzes gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 Handelsgesetzbuch entscheidet. Eine daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Gericht nicht angenommen. Die Entscheidung des BVerfG im aktuell anhängigen Verfahren ist am 26.5.2020 erfolgt. Sie stellt fest, dass § 17 VersAusglG nicht verfassungswidrig ist, die Familienrichter im Einzelfall jedoch prüfen können, ob der Versorgungsausgleich im Falle einer externen Teilung in verfassungsgemäßer Weise erfolgt. Sie dürfen bei der Bestimmung des Ausgleichswertes das erwartbare Maß der Transferverluste steuern und ggf. in eigener Verantwortung den Ausgleichswert festsetzten, um neben den Interessen des Arbeitgebers auch die Grundrechte insbesondere der ausgleichsberechtigten Person zu wahren.  Über die Details werden wir werden im nächsten Weitblick berichten.

Fazit

Bestrebungen, das bestehende Verfahren zumindest in Teilbereichen zu verändern, sind erkennbar. Jedoch liegt es im Einflussbereich des Gesetzgebers beziehungsweise der Rechtsprechung, die weiterhin bestehende Komplexität im Versorgungsausgleich zu kanalisieren und für alle Beteiligten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Der Gesetzgeber scheint sich bisher eher auf die ordnende Hand der Rechtsprechung zu verlassen.

Vanessa Angel, Syndikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial