01. September 2020

Unangemessene Benachteiligung bei Hinterbliebenenversorgung in AGB (BAG-Beschluss vom 18.2.2020 – 3 AZN 954/19)

Dürfen Allgemeine Geschäftsbedingungen die Hinterbliebenenleistungen auf die Person beschränken, die zum Zeitpunkt der Zusage mit dem Verstorbenen verheiratet war? Das BAG musste klären.


Worum geht es?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision zu entscheiden. Die Ehefrau eines verstorbenen Mitarbeiters hatte eine Hinterbliebenenleistung vom Arbeitgeber eingeklagt, obwohl in der Versorgungszusage dessen erste Ehefrau namentlich benannt war. Strittig war somit eine Klausel in einer Versorgungszusage, wonach die Hinterbliebenenversorgung nur dem dort namentlich benannten Ehepartner, also dem Ehepartner, mit dem der Arbeitnehmer bei Erteilung der Zusage verheiratet war, zugesagt war. Hiergegen klagte die Ehefrau des Verstorbenen, mit der der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Todes tatsächlich verheiratet war. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 7.6.2019 – 6 Sa 54/19) hatte ihr den Anspruch zuerkannt. Eine Revision gegen das entsprechende Urteil wurde nicht zugelassen. Der Arbeitgeber legte beim BAG gegen die Nichtzulassung der Revision Nichtzulassungsbeschwerde ein, um eine höchstrichterliche Klärung aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zu erreichen.

Wie hat das BAG entschieden?
Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BAG zurückgewiesen. Denn das Gericht hatte bereits am 21.2.2017 (3 AZR 297/15) entschieden, dass eine Beschränkung der Witwenrente in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf die zur Zeit der Zusage mit dem Arbeitnehmer verheiratete Person diesen in unzulässiger Weise benachteiligt. Arbeitsverträge unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der sogenannten AGB-Kontrolle. Versorgungsregelungen als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses somit ebenfalls. Dem vorbezeichneten Beschluss des BAG lag eine der Sache nach fast gleich gelagerte Regelung in einer Versorgungszusage zugrunde. Das Gericht lehnte die Zulassung der Beschwerde des zusagenden Arbeitgebers insbesondere mit Hinweis auf sein Urteil vom 21.2.2017 ab. Hierbei hat es klargestellt, dass bei einer Hinterbliebenenversorgung grundsätzlich diejenigen Personen abgesichert werden sollen, die entsprechend der Kategorie in einem abgrenzbaren Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stehen. Sofern der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage weiter einschränke, unterliege diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Denn durch diese Einschränkung werde dem typisierten Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung für nicht geschiedene Ehepartner nicht entsprochen. Dies benachteilige den Arbeitnehmer entgegen der Gebote von Treu und Glauben unangemessen.

Entscheidung steht bisheriger Praxis zur Risikobegrenzung entgegen
Begründete Interessen des Arbeitgebers sah das Gericht nicht. Zwar habe er grundsätzlich ein Interesse daran, sein mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen. Allerdings sei der Zeitpunkt der Eheschließung kein zulässiger Anknüpfungspunkt für solche Risikoerwägungen. In seinem aktuellen Beschluss hat das BAG deutlich gemacht, dass dies auch für den Fall gilt, dass die Hinterbliebenenrente auf eine in der Versorgungszusage benannte Person beschränkt wird. Demnach stellt eine individuell zugesagte Hinterbliebenenversorgung ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters dar. Daher ist die Klausel unwirksam. Die Entscheidung steht der bisher geübten Praxis zur Risikobegrenzung entgegen, wonach der Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung an eine genau bestimmte Person zusagen und sein Risiko kalkulieren konnte. Somit ist der neue Ehegatte unabhängig von der Benennung in der Zusage Begünstigter der Hinterbliebenenversorgung.

Anderweitige Klauseln zur Risikobegrenzung häufig nicht vorhanden
Sofern der Begünstige dann wesentlich jünger ist, verteuert sich die Hinterbliebenenversorgung im Todesfall. Zudem sehen auf eine bestimmte Person zugeschnittene Versorgungszusagen häufig keine anderen Klauseln zur Risikobegrenzung (beispielsweise Mindestehenklausel oder Spätehenklausel) in Bezug auf die Hinterbliebenenabsicherung vor. Besonders kritisch dürften hierbei solche Fälle sein, in denen die Zusage über einen externen Versorgungsträger (wie eine Direktversicherung) erfolgt. Hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) gerade entschieden, dass das Bezugsrecht gegenüber dem Versicherer sehr wohl auch auf einen ganz bestimmten, wenn auch mittlerweile geschiedenen Ehegatten beschränkt sein kann (BGH, BeckRS 2015, BECKRS Jahr 13681).

Die vorbezeichnete Rechtsprechung des BAG betrifft nur Versorgungszusagen, die dem Recht der AGB unterliegen. Dies ist bei Zusagen mit einer individuellen Hinterbliebenenversorgung regelmäßig der Fall. Es ist offen, inwiefern sie auch auf Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge übertragbar ist, für die die Regeln zur AGB-Kontrolle nicht greifen (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).

Fazit

Durch die Rechtsprechung des BAG ist geklärt, dass eine in den AGB enthaltene Beschränkung der Witwenrente auf die Person, die im Zeitpunkt der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung mit der Person des Versorgungsempfängers verheiratet war, letzteren unzulässig benachteiligt. Diese Entscheidung gilt gleichermaßen für den Fall, dass die Hinterbliebenenrente auf eine in der Versorgungszusage namentlich benannte Person beschränkt wird. Die jetzt erfolgte Klarstellung des Bundearbeitsgerichts sollte Anlass sein, die existierenden Vertragsgestaltungen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial