15. November 2018

Doppelverbeitragung von Renten der bAV in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – Hoffnung für die Versorgungsberechtigten?

Die Doppelverbeitragung in der bAV ist ein heiß diskutiertes Thema. Und es scheint Bewegung reinzukommen – sowohl von rechtlicher als auch politischer Seite. Der Artikel fasst zwei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zusammen und liefert einen Überblick der politischen Diskussion.


Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.6.2018 – 1 BvR 249/15
Das BVerfG hat die Ungleichbehandlung der Verbeitragung von Rentenleistungen aus einer Pensionskassenversorgung im Vergleich zur Direktversicherung beseitigt. Nunmehr müssen auch Arbeitnehmer, die nach ihrem Ausscheiden beim Arbeitgeber als Versicherungsnehmer weiterhin aus ihrem Nettoentgelt Beiträge in die Pensionskasse leisten, auf die daraus resultierenden Renten keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Das BVerfG führt aus, dass mit Ausscheiden und Weiterzahlen der Beiträge der institutionelle Rahmen des Arbeitgebers verlassen werde und der Vertrag im Grunde einem privaten Lebensversicherungsvertrag gleiche. Inzwischen hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mit Rundschreiben vom 15.10.2018 über Einzelheiten der Umsetzung des BVerfG-Beschlusses informiert.

Mit dieser Entscheidung ist ein weiterer Schritt zur Abschaffung der Doppelverbeitragung in bestimmten Fällen geschaffen. Die Arbeitnehmer sollen damit motiviert werden, ihre bAV fortzuführen und damit ihren Lebensstand im Alter zumindest teilweise aufrechtzuerhalten.

Beschluss des BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) vom 9.7.2018 – 1 BvL 2/18
Das BVerfG hat allerdings gerade wieder die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie die Anhebung auf den vollen allgemeinen Beitragssatz als verfassungsgemäß bestätigt. Nach Auffassung des BVerfG gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nur einen halben Beitragssatz zu entrichten hätten.

Was bisher getan wurde und ob dennoch Hoffnung auf weitere Maßnahmen seitens des Gesetzgebers oder der Politik besteht?

Es war einmal …
Seit Einführung der Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen mit dem Rentenanpassungsgesetz (RAG) vom 1.12.1981 zum 1.1.1983 hat der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Änderungen im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen der bAV in zunehmend größerem Umfang der Beitragspflicht unterworfen und die Beitragslast der betroffenen Betriebsrentenempfänger dadurch deutlich erhöht. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die mit Wirkung vom 1.1.2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vorgenommenen Änderungen. Demnach gilt seit diesem Zeitpunkt für Renten der bAV und sonstige Versorgungsbezüge – anders als nach dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht – nicht mehr nur der halbe, sondern der volle allgemeine Beitragssatz. Seit dem 1.1.2004 ist auch jede Kapitalleistung, die als Versorgungsbezug zu werten ist, beitragspflichtig. Diese Handhabe wird nicht nur von den Versorgungsberechtigten als ungerecht empfunden. Sie ist jedoch vom BVerfG mehrfach als verfassungsgemäß bestätigt worden.

Initiativen und Maßnahmen hinsichtlich der Problematik der Doppelverbeitragung auf politischer Ebene

Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung der bAV
Die Stärkung der bAV war als Ziel schon im alten Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD aufgenommen. Insbesondere sollte die bAV für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) selbstverständlich werden. Daher wurden Gutachten erstellt, welche die Hemmnisse aufzeigen sollten.

Verschiedene Reformoptionen wurden entwickelt, um insbesondere die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Hemmnisse abzumildern beziehungsweise zu beseitigen. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Doppelverbeitragung bei der Riester-geförderten bAV aufgegriffen und sodann die Abschaffung der Doppelbelastung der Arbeitnehmer mit Sozialversicherungsbeiträgen in der Anwartschafts- und Rentenphase als Reformoption zur Verbesserung der Riester-Förderung in der bAV ausführlich diskutiert worden. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ist nunmehr die Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten bAV umgesetzt.

Antrag der Fraktion DIE LINKE
Als erste Partei hat DIE LINKE die Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung gefordert, der die doppelte Beitragszahlung beendet. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung dürfe nur einmal anfallen, sodass entweder auf das Einkommen in der Ansparphase oder auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen Beiträge zu zahlen seien. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde erst einmal abgelehnt. Argumentiert wurde unter anderem damit, dass eine Rückkehr zu der alten Regelung zu Kosten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung führen würde.

Deutscher Bundestag vom 11.10.2018
Der Bundestag hat sich am 11.10.2018 zum wiederholten Mal mit der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten befasst und einhellig die Auffassung vertreten, dass die hoch umstrittene Regelung reformiert werden sollte. Allerdings ist unklar, in welcher Form die seit 2004 geltende Regelung verändert werden soll und wie das zu finanzieren ist. Basis für die Debatte war ein Antrag (19/242) der Fraktion DIE LINKE mit dem Ziel, „die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Betriebsrenten in der Anspar- und Auszahlungsphase" abzuschaffen. Die Vorlage wurde im Gesundheitsausschuss schon länger beraten, ohne dass es zu einem Abschluss gekommen wäre.

Redner aller Fraktionen machten in der Debatte deutlich, dass sie gewillt sind, die Regelungen im Sinne von mehr Gerechtigkeit zu ändern. Allerdings ist in jedem Fall mit erheblichen Kosten zu rechnen, weshalb um das beste Konzept noch gerungen wird. Wann eine Lösung auf dem Tisch liegen könnte, ist unklar.

Deutscher Bundestag vom 18.10.2018
Zunächst hat der Deutsche Bundestag am 18.10.2018 das „Gesetz zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG)“ beschlossen. Auf Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit wurde zur Umsetzung des BVerfG-Beschlusses eine entsprechende Änderung der Definition der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge in § 229 Sozialgesetzbuch V eingefügt (Anlage 3, BT-Drucksache 19/5112, Artikel 1 Nr. 5a, S. 11, Begründung auf S. 44/45). In § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 werden vor dem Punkt am Ende die Wörter „sowie Leistungen, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträgen erworben hat“ aufgenommen.

Fazit:

Das Thema nimmt in der politischen Debatte Fahrt auf. Zum Teil wird sich dafür stark gemacht, zum halben Beitragssatz zurückzukehren und statt einer Freigrenze einen Freibetrag zu gewähren. Die CDU wird sich auf ihrem Bundesparteitag im Dezember mit dem Thema befassen. Die Hoffnung auf eine Änderung der Doppelverbeitragung bleibt also bestehen.

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial