08. August 2018

Altersgrenze in der bAV: Diskriminierung wegen des Alters bei Anrechnungsausschluss von Zeiten nach der Vollendung des 60. Lebensjahres? (BAG-Urteil vom 17.10.2017 – 3 AZR 199/16)

In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mal wieder mit Diskriminierungsfragen im Rahmen einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu befassen.

 


Es ging um die Frage, ob bei der Berechnung der Betriebsrente Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu berücksichtigen seien. In der entsprechenden Versorgungsregelung war jedoch ein Passus enthalten, wonach Beschäftigungsmonate ab diesem Zeitpunkt bei der Anrechenbarkeit unberücksichtigt bleiben.

Zur Erinnerung: Wie prüft das BAG eine Diskriminierung?
Zunächst ist die Anwendbarkeit des AGG festzustellen. Hier stellt sich insbesondere die Frage der „zeitlichen Anwendbarkeit“. Das heißt, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (am 18.8.2006) musste sich die Klägerin noch in einem Rechtsverhältnis mit der Beklagten befunden haben. Das war im vorliegenden Fall unstreitig, da hier noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Aber auch ein Rentenverhältnis wäre ausreichend gewesen.

Feststellung, ob eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vorliegt
Es lag eine unmittelbare Diskriminierung vor, da die Versorgungsregelung unmittelbar an die Vollendung des 60. Lebensjahres anknüpft. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer, die bei Dienstbeginn älter sind, eine ungünstigere Behandlung erfahren als Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt jünger sind.

Ist die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt?
Eine Benachteiligung wegen des Alters wäre nach dem AGG dann zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

So sind im Gesetz Tatbestände wie die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Rechtfertigungsgründe aufgezählt (vergleiche § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG). Vorliegend ist die Frage offengelassen, ob hier gerade diese Rechtfertigungsgründe vorhanden sind.

Welche Rechtfertigungsgründe liegen vor?
Nach Auffassung des BAG liegt der Altersgrenze in der Versorgungsregelung ein legitimes Ziel zugrunde (vergleiche § 10 Satz 1 AGG). Nach den europäischen Vorgaben sind dies beispielsweise Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Aber auch Ziele, die ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag mit seiner vorgesehenen bAV anstrebt, können legitime Ziele sein. Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen. Das hat das Gericht vorliegend angenommen.

Die Angemessenheit und Erforderlichkeit, die das AGG weiter fordert (vergleiche § 10 Satz 2 AGG), lassen sich damit begründen, dass dem Arbeitgeber bei der freiwilligen bAV ein gewisser Gestaltungs- und Ermessensspielraum zusteht. Dieser ermöglicht ihm grundsätzlich auch, ein Höchstalter für die Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungszeit festzulegen, ohne die Interessen der hiervon nachteilig betroffenen Arbeitnehmer übermäßig zu beeinträchtigen. Das BAG beruft sich in diesem Rahmen gerne auf eine typisierende Betrachtungsweise und führt hierzu aus, dass die Arbeitnehmer den ganz überwiegenden Teil ihres Erwerbslebens vor dem 60. Lebensjahr absolviert haben. In dieser Zeit hätten sie genügend Gelegenheit, Altersversorgungsanwartschaften zu erwerben. Zudem schieden die Arbeitnehmer bei der Beklagten überwiegend mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus, sodass die Nichtanrechnung weiterer Zeiten nicht übermäßig belaste.

Das BAG hat auch eine mittelbare Diskriminierung durch die genannte Regelung verneint, sodass insgesamt die Revision der Klägerin unbegründet war.

Fazit:

Soweit es um Altersgrenzen in Versorgungsregelungen geht, können Arbeitgeber als legitimes Ziel fast immer die verlässliche Kalkulierbarkeit des aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwands und die bessere Einschätzung und Begrenzung der wirtschaftlichen Belastungen ins Feld führen. Auch die typisierende Betrachtungsweise greift in diesen Fällen vielfach durch. Es bleibt allerdings zu beobachten, ob vor dem Hintergrund des steigenden Renteneintrittsalters die Sichtweise weiter so aufrechterhalten wird.

Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial