24. Mai 2023

Nachträgliche Erhöhung des Entgelts für einen Schuldbeitritt

FG-Urteil vom 26.10.2022 – 13 K 2921/19 K, G


Führt die nachträgliche Erhöhung eines Entgelts für einen Schuldbeitritt zu Pensionszusagen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)? Und welcher Stichtag ist für die zeitliche Anwendung des § 4f Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgeblich, der die steuerliche Verteilung eines über die aufgelöste Pensionsrückstellung hinausgehenden Entgelts auf 15 Jahre vorsieht? Finanzverwaltung und Finanzgerichte (FG) streiten hierüber (siehe unter anderem Urteil des FG Münster vom 26.10.2022, 13 K 2921/19 K, G).

Aufgrund sinkender Zinsen wurde für einen Schuldbeitritt ein Erhöhungsbetrag gezahlt...
Eine Gesellschaft hatte im Jahr 2012 ihren entgeltlichen Schuldbeitritt gegenüber anderen Gesellschaften erklärt, mit denen sie im Konzern verbunden war. Das zu entrichtende Entgelt setzte sich aus dem versicherungsmathematischen Barwert für die eingegangenen Verpflichtungen und einem Risikozuschlag zusammen. Zudem enthielt die Vereinbarung zum Schuldbeitritt eine Klausel zur nachträglichen Anpassung des Entgelts. Demnach sollte dieses auf Verlangen eines Vertragspartners rückwirkend angepasst werden, wenn sich im Nachhinein Fehler bei der Ermittlung der Barwerte herausstellten. Ein solcher Fehler läge „insbesondere" dann vor, wenn sich das unterstellte Zinsniveau – hier: der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) – im Rahmen eines Zehn-Jahres-Betrachtungszeitraums ab Vertragsunterzeichnung um mehr als ein Prozent verändern würde.

Vor dem Hintergrund sinkender Zinsen (5,04 Prozent zum 31.12.2012 und 4,88 Prozent zum 31.12.2013) ließ die Gesellschaft von einem Gutachter berechnen, wie hoch das Entgelt für den Schuldbeitritt unter Annahme eines niedrigeren Zinses hätte sein müssen. Dabei wurde ein Zinssatz von 3,09 Prozent unterstellt. Dieser Zinssatz war einem Fachbeitrag zur voraussichtlichen Zinsentwicklung bis zum Jahr 2019 entnommen worden. Noch im Jahr 2013 vereinbarten die Vertragsparteien mit einem Nachtrag zum Schuldbeitrittsvertrag, das Entgelt im dem von dem Gutachter unter der geänderten Zinsannahme berechneten Umfang zu erhöhen. Der Erhöhungsbetrag wurde im Jahr 2013 entrichtet.

...den die Finanzverwaltung nicht als Betriebsausgabe anerkennen wollte...
Bei einer späteren Betriebsprüfung wurde der Erhöhungsbetrag von der Finanzverwaltung nicht als Betriebsausgabe anerkannt. Der maßgebliche BilMoG-Zinssatz (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) habe sich zum 31.12.2013 im Vergleich zu den Verhältnissen bei Vereinbarung des Schuldbeitritts nicht um mehr als ein Prozentpunkt geändert. Für einen solchen Fall sähe der Schuldbeitrittsvertrag insoweit nicht vor, dass das Entgelt für den Schuldbeitritt zu erhöhen sei. Erst zum 1.12.2015 sei der Zins tatsächlich auf 3,89 Prozent und damit – im Vergleich zum Jahr 2012 – um mehr als ein Prozent gesunken. Erhöhungsbeträge könnten damit frühestens ab dem Jahr 2015 geltend gemacht werden. Der Betriebsausgabenabzug wäre für diese Erhöhungsbeträge nach § 4f EStG dann allerdings auf 15 Jahre gleichmäßig zu verteilen.

Dagegen erhob die Gesellschaft, die den Schuldbeitritt erklärt hatte, Klage. Sie vertrat die Auffassung, dass sich die betreffende Vertragsklausel auf das unterstellte zukünftige Zinsniveau im Rahmen eines Zehn-Jahres-Betrachtungszeitraums beziehe. Dabei sei nicht die tatsächliche, sondern die prognostizierte Veränderung des betreffenden Zinssatzes maßgeblich. Im Übrigen sei eine Änderung des Zinssatzes nach den Bestimmungen des Schuldbeitrittsvertrages nicht die einzige Möglichkeit für eine Entgeltanpassung gewesen, was durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ zum Ausdruck gekommen sei. Auch sei der Betriebsausgabenabzug nicht gemäß § 4f EStG über einen Zeitraum von 15 Jahren zu verteilen. Denn im Jahr 2012 – und dies sei hier für die Frage des anzuwendenden Rechts maßgeblich – sei § 4f EStG noch nicht anwendbar gewesen.

...doch das Finanzgericht wollte sich der Meinung der Finanzverwaltung nicht anschließen
Das FG Münster entschied zugunsten der klagenden Gesellschaft. Nach seiner Ansicht lag im vorliegenden Fall durch den Schuldbeitrittsvertrag eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung vor. Gewinnausschüttungen in Gestalt einer vGA lägen insoweit nicht bereits aufgrund eines fehlenden formellen Fremdvergleichs vor. Die Entgelterhöhung sei in ihrer Entstehung und ihrem Betrag genau bestimmt. 

Das FG vertrat die Meinung, dass der Nachtrag im Jahr 2013 nicht fremdunüblich war. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte dessen Abschluss zustimmen können. Zwar ginge der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine gesellschaftliche Veranlassung regelmäßig anzunehmen sei, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne Gegenleistung eine ihr günstige, gesicherte Rechtsposition aufgäbe. Eine solche Änderung kann nach der Rechtsprechung aber dann akzeptiert werden, wenn neue, zuvor nicht absehbare und gewichtige Umstände zutage treten würden und wenn entweder ein zivilrechtlicher Rechtsanspruch auf eine Vertragsanpassung bestünde oder ein fremder Dritter sich zu einer Neuregelung bereitgefunden hätte. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Denn der ursprüngliche Schuldbeitrittsvertrag gäbe den Parteien einen Anspruch auf Vertragsanpassung. Um diesen Anspruch geltend zu machen, sei eine Prognoserechnung für die künftige Zinsentwicklung ausreichend. Insbesondere müsse für die Geltendmachung des Anspruchs nicht auf die tatsächliche Zinsentwicklung abgestellt werden.

Auch in der Rückschau war die Zahlung des Erhöhungsbetrages sachgerecht...
Im Übrigen hatte das FG auch deshalb keine Bedenken gegen die Fremdüblichkeit der vereinbarten Entgelterhöhung, weil der tatsächliche BilMoG-Zinssatz zum 31.12.2019 sogar unter dem prognostizierten Wert von 3,09 Prozent lag und nur 1,97 Prozent betrug. Bei dem prognostizierten Zinssatz handelte es sich also nach Ansicht des FG um eine eher zurückhaltende Voraussage. Zudem sei von Bedeutung, dass sich die maßgebliche Klausel in dem Schuldbeitrittsvertrag – je nach Entwicklung des prognostizierten Rechnungszinssatzes – sowohl zugunsten als auch zu Lasten der Gesellschaft hätte auswirken können. Es läge insoweit eine ausgewogene Regelung über die Risikoverteilung vor. 

...und dieser war bei einem Schuldbeitritt vor 2014 auch nicht auf 15 Jahre zu verteilen
Schließlich erteilte das FG auch der Auffassung der Finanzverwaltung eine Absage, wonach der Betriebsausgabenabzug für den Erhöhungsbetrag nach § 4f EStG über einen Zeitraum von 15 Jahren zu verteilen sei. Denn die betreffende gesetzliche Regelung sei gemäß § 52 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 28.11.2013 enden. Nach Auffassung des Gerichts spricht der Wortlaut dieser Reglung dafür, dass der jeweilige Schuldbeitritt in dem nach dem 28.11.2013 endenden Wirtschaftsjahr stattgefunden haben muss. Es käme mithin auf das Datum des Vertragsabschlusses – nicht aber auf den Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen –- an. Damit nimmt das FG eine konträre Haltung zur Meinung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ein (siehe Schreiben des BMF vom 30.11.2017, IV C 6 - S 2133/14/10001). 

Fazit:

Das FG Münster teilt die Auffassung der Finanzverwaltung nicht, wonach ein Aufwand, der sich in einem nach dem 28.11.2013 endenden Wirtschaftsjahr aus einem Schuldbeitritt ergibt, in jedem Fall gemäß § 4f EStG auf 15 Wirtschaftsjahre zu verteilen ist. Die Verteilung sei zumindest dann nicht durchzuführen, wenn der Schuldbeitritt zuvor stattgefunden habe und die Leistung des nachträglichen Aufwands nicht fremdunüblich sei. Letzteres sah das FG hier als gegeben an, wobei es eine Klausel zur prognostizierten Entwicklung von Rechnungsgrundlagen hierfür als ausreichende Grundlage für die Üblichkeit erachtete.  

i Was ist zu tun?

  • Das letzte Wort ist in dieser Sache noch nicht gesprochen. Das FG ließ das Verfahren zur Revision zu. Inzwischen ist es auch beim BFH anhängig (I R 48/22). Dessen Entscheidung ist abzuwarten. Arbeitgeber, die einen Schuldbeitritt bis zu dem Wirtschaftsjahr erklärt haben, das nach dem 28.11.2013 endete, sollten den weiteren Verlauf aufmerksam beobachten. Und Gesellschaften, welche die Erklärung eines Schuldbeitritts künftig beabsichtigen, sollten ein besonderes Augenmerk auf Klauseln zur späteren Anpassung des zu entrichtenden Entgelts haben. Entsprechende Verträge sollten stets mit fachmännischer Unterstützung eingerichtet werden.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), ERGO-Versorgungsträgermanagement, Longial