07. Dezember 2022

Keine Verpflichtung zur Anpassungsprüfung seitens der Arbeitgeber

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich im Mai 2022 mit der Frage, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, die von der Pensionskasse gezahlte Betriebsrente inflationsbedingt zu erhöhen, und entschied, dass eine diesbezügliche Verpflichtung der Arbeitgeber zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs.1 und Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nicht besteht, sofern diese ihre Überschüsse zur Leistungserhöhung verwendet haben (BAG-Urteil vom 3.5.2022 – 3 AZR 408/21).


Welchen konkreten Sachverhalt hatte das BAG zu beurteilen?
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern langjährig als Angestellte beschäftigt und bezieht seit dem 1. Oktober 2011 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, welche die Beklagte über den BVV-Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. durchführt. Hierbei handelt es sich um eine regulierte Pensionskasse unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Klägerin hatte von ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine Rentenerhöhung gemäß § 16 BetrAVG als Inflationsausgleich gefordert, da die Pensionskasse seit Rentenbeginn vor mehr als zehn Jahren die Betriebsrente der Klägerin nicht erhöht hatte. Diese verlangte eine Anpassung des auf Beiträgen der Arbeitgeberin beruhenden Teils ihrer Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zum Stichtag 01. Oktober 2014 und forderte für die Zeit ab dem Anpassungs-stichtag monatlich eine weitere Betriebsrente in Höhe von 37,72 Euro (brutto). Dabei vertrat sie die Auffassung, die Beklagte könne sich nicht auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG berufen. Nach dieser Vorschrift entfällt die Verpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 BetrAVG oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 BetrAVG durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Diese Regelung in ihrer seit dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung sei auf den streitgegenständlichen Anpassungsstichtag im Jahr 2014 nicht anwendbar. Auch sei die Änderung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG mit Unionsrecht nicht vereinbar. Die Übergangsbestimmung in § 30c Abs. 1a BetrAVG verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Im Übrigen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht erfüllt. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das BAG hatte schließlich mit Urteil vom 10. Dezember 2019 (3 AZR 122/18) das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen. Dieses gab schließlich der Klage in Höhe von 16,92 Euro (brutto) monatlich statt und wies diese im Übrigen ab. Somit bestätigte das LAG hinsichtlich des von ihm abgewiesenen Teils der Klage in Höhe von 5,04 Euro brutto monatlich die Auffassung der Beklagten, sie sei gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht zur Prüfung einer Anpassung verpflichtet.

Wie hat das BAG entschieden?
Die gegen das Urteil des LAG von der Klägerin neuerlich geführte Revision hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Nach dessen Auffassung erfüllen die bei der Pensionskasse geltenden Regelungen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner seit dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung. Die zum Stichtag erfolgte Neufassung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG verstoße nicht gegen das Verschlechterungsverbot aus Art. 7 Abs. 2 der sog. Mobilitäts-Richtlinie 2014/50/EU. Sie soll verhindern, dass die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zur Absenkung des bestehenden Schutzes genutzt wird. Vorliegend habe der Gesetzgeber jedoch „lediglich“ zeitgleich mit und bei Gelegenheit der Umsetzung eine außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie bestehende Rechtsprechung des Senats korrigiert. Die Übergangsvorschrift des § 30c Abs. 1a BetrAVG sei daher auch nicht wegen unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig. Die Betriebsrentner der Beklagten hätten vielmehr bereits ursprünglich davon ausgehen müssen, dass eine Anpassungsprüfungspflicht nicht unverändert bestehen bleiben würde. Die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung orientiere sich am Sachverhalt und sei vertretbar. Ausweislich der Auffassung des BAG ist die Neufassung der Ausnahmeregelung folglich für die Pflicht zur Anpassung von Betriebsrenten gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG auch auf frühere Anpassungsstichtage anwendbar. Voraussetzung dafür sei lediglich, dass die Pensionskasse sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile ordnungsgemäß zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet habe. Sofern ein Arbeitgeber die Versorgung somit zusagt, muss er nicht in jedem Fall eine Anpassungsprüfung vornehmen. Denn er ist vielmehr von dieser Verpflichtung befreit, wenn er die bAV unter anderem über eine Pensionskasse im Sinne von § 1b Abs. 3 BetrAVG abwickelt, und nach deren Regelungen sichergestellt ist, dass ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschüsse verwendet werden, um die laufenden Leistungen zu erhöhen.

Fazit

Wird die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse im Sinne von § 1b Abs. 3 BetrAVG durchgeführt und ist nach den Regelungen der Pensionskasse sichergestellt, dass ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden, entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG die Verpflichtung des die Versorgung zusagenden Arbeitgebers zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG.

i Was ist zu tun?

  • Auch wenn das BAG die Klage des Betriebsrentners auf Rentenerhöhung im Sinne eines Inflationsausgleichs abgewiesen hat, können Unternehmen in bestimmten Fällen zur Erhöhung von Betriebsrenten verpflichtet sein. Das kann auch der Fall sein, wenn sie ihre bAV über eine Pensionskasse abwickeln. Sofern die Regelungen der Pensionskasse zur Überschussverwendung nicht den Anforderungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG entsprechen, haften die Unternehmen. Sie sollten daher vorab Möglichkeiten prüfen, wie sie Rentenanpassungen vermeiden oder zumindest besser kalkulieren können. Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind zudem gut beraten, ihre Überschussverwendung auf die Anforderungen des Betriebsrentengesetzes hin zu überprüfen.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial