06. Dezember 2023

Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Ablösung einer Pensionszusage bei Gesellschafter-Geschäftsführern

FG Münster 4 K 3618/18 E


Die Beteiligten stritten über die Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 2012. Die Kläger vertraten hierbei die Auffassung, dass das beklagte Finanzamt eine im Jahr 2012 erfolgte Abfindung einer rückgedeckten Pensionszusage gegenüber dem klagenden Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) zu Unrecht als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt hat.

Der Sachverhalt
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr zusammenveranlagt. Sie waren gemeinsam Gesellschafter der seit Juni 2001 bestehenden GmbH. Der im Jahre 1957 geborene Kläger war zudem Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Jahre 2002 beschlossen die Kläger, dass im Rahmen des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags zwischen dem Kläger einerseits und der GmbH andererseits eine Pensionszusage vereinbart werden soll, welche am selben Tag seitens der GmbH gewährt wurde. Eine vorzeitige Inanspruchnahme sollte grundsätzlich nur zulässig sein, wenn der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet und die Zusage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme mindestens zehn Jahre bestanden hat. Die GmbH behielt sich ausdrücklich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass ihr eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann.

Zum 31.12.2011 wies die GmbH einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf. Auch im Jahr 2012 verringerte sich der Umsatz der GmbH. Im Jahre 2012 wurde die Aufhebung der dem Kläger erteilten Pensionszusage zum 1.12.2012 im Rahmen umfassender Sanierungsarbeiten beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger 55 Jahre alt und die Pensionszusage bestand seit zehn Jahren. Mit den Klägern wurde hierzu eine Vereinbarung zur Abfindung der Versorgungsansprüche getroffen, wonach die GmbH zum 1.12.2012 eine Zahlung in Höhe von 66.000 Euro an den Kläger leisten sollte. Dieser Betrag stammte aus der zuvor aufgelösten Rückdeckungsversicherung und war geringer als der für ihn zu diesem Zeitpunkt ermittelte Anspruch in Höhe von 77.000 Euro. Nach Erhalt der Zahlung konnte der Kläger aus der Pensionszusage keine Ansprüche mehr gegenüber der GmbH geltend machen, etwaige Pfandrechte sollten erlöschen.

Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012 berücksichtigte das beklagte Finanzamt bei den Einkünften des Klägers auch einen Abfindungsbetrag in der Höhe von 77.000 Euro. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der zuständige Prüfer zudem fest, dass eine sogenannte „Spontanabfindung" mit der Folge einer vGA nicht auszuschließen sei. Grundsätzlich sei von einer gesellschaftlichen Veranlassung der Abfindung auszugehen. Eine drohende Überschuldung der Gesellschaft habe zum Abfindungszeitpunkt nicht vorgelegen. Mit Einspruchsentscheidung vom 26.10.2018 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Hiergegen haben die Betroffenen Klage erhoben.

Wie hat das FG Münster den Sachverhalt beurteilt?
Das Finanzgericht (FG) Münster vertrat die Auffassung, dass die Abfindungszahlung zu Unrecht als vGA behandelt worden sei: die erfolgte Zahlung sei nicht gesellschaftlich, sondern betrieblich veranlasst gewesen, zumal eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame Abfindungsvereinbarung vorhanden gewesen sei.

Beachtung des „doppelten Fremdvergleichs“
Eine gesellschaftliche Veranlassung sei grundsätzlich gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte. Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers sei dadurch gekennzeichnet, dass der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen werde. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer würde grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft sei. Aus Sicht der Gesellschafter-Geschäftsführer hätte auch ein fremder Dritter dem Abfindungsplan zugestimmt. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht entsprochen hätte, könne deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. Dieser doppelte Fremdvergleich sei auch im Zusammenhang mit der Beurteilung einer vGA durch eine Kapitalabfindung einer Pensionszusage an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zu beachten.

Kürzung oder Einstellung der Pensionsleistung nicht vorzugswürdig
Der Fremdvergleich scheitere auch nicht daran, dass die GmbH ihr in der Pensionszusage vorbehaltenes Recht auf Kürzung oder Einstellung der zugesagten Pensionsleistungen hätte ausüben können, da ein fremder Dritter einem solchen Vorgehen anstelle des Klägers nicht ohne Gegenleistung zugestimmt hätte. Der Kläger habe bereits eine Zahlung erhalten, die um 11.000 Euro geringer gewesen sei als der bis dahin rechnerisch ermittelte, erdiente Anteil der Pensionsanwartschaft. Zudem sei nicht ersichtlich, dass ein fremder Dritter darüber hinausgehend zu weiteren Zugeständnissen zugunsten der GmbH bereit gewesen sei. Und schließlich habe die gewählte Maßnahme ausgereicht, um eine Sanierung der GmbH zu realisieren.

Kein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes 
Die Ablehnung der vGA im konkreten Fall widerspreche auch nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sowie der in der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung, dass eine „Spontanabfindung“ möglich sein soll, wenn es einen wirtschaftlichen Grund für die Notwendigkeit der Abfindung gebe.

Fazit

Ob die Abfindung einer Pensionszusage als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist, wird nicht nach den allgemeinen Regeln bestimmt. Für die Einordnung bedeutsam ist eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung, die aufgrund der Behandlung in einer Gesellschafterversammlung anschließend zwischen den Beteiligten getroffen werden kann. Sofern die „Entsorgung” der Pensionszusage dazu dient, eine drohende Insolvenzreife und wirtschaftliche Krise einer Gesellschaft zu beseitigen, reicht zur Bestimmung der Krise die drohende Zahlungsunfähigkeit aus; deren tatsächlicher Eintritt oder eine Überschuldung ist nicht notwendig. Zudem scheitert der Fremdvergleich nicht daran, wenn als Sanierungsmaßnahme statt der Kürzung oder Einstellung der zugesagten Pensionsleistung die Abfindung der Pensionszusage gewählt wird.

i Was ist zu tun?

  • Das Urteil des FG Münster ist noch nicht rechtskräftig. Da die Revision zugelassen wurde und die Sache beim BFH unter Az. VIII R 17/23 auch anhängig ist, bleibt zunächst die dortige Beurteilung abzuwarten.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial