07. Dezember 2022

Kein eigenes Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers in der Direktversicherung

Sofern ein Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis mit unverfallbaren Anwartschaften ausscheidet und im Zuge der versicherungsförmigen Lösung die Versicherung als neuer Versicherungsnehmer zum Zwecke der privaten Fortführung übernimmt, geht ein mögliches ewiges Widerspruchsrecht nicht auf ihn über (BGH-Hinweisbeschluss vom 23.2.2022, IV ZR 150/20).


Der Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Rückzahlung von Versicherungsprämien einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Lebensversicherung. Der ehemalige Arbeitgeber hatte für die Klägerin im Jahr 2003 eine solche über eine Direktversicherung bei der Beklagten, einem Lebensversicherungsunternehmen, abgeschlossen. Versicherungsnehmerin war der Arbeitgeber. Die Versicherung wurde nach § 2 Abs. 2 BetrAVG mit einer Sperrklausel versehen, so dass ein Rückkauf der Versicherung sowie eine Auszahlung der Versicherungsleistung vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgeschlossen waren. Das Arbeitsverhältnis endete 2017. Die Klägerin hatte die ehemalige Direktversicherung im Rahmen der Durchführung der versicherungs-vertraglichen Lösung schließlich von ihrem Arbeitgeber übernommen und führte diese beitragsfrei fort. Damit war sie versicherungsrechtlich an die Stelle der Versicherungsnehmerin getreten. Die Klägerin legte im Jahr 2018 bei der Beklagten Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages ein und forderte von dieser die Rückabwicklung rückwirkend ab Versicherungsbeginn. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Mit Erhebung der Klage beanspruchte die Klägerin die Rückzahlung der Versicherungsbeiträge in Höhe von rund 9.000 Euro von der beklagten Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Arbeitgebers sei bei Ausscheiden und Versicherungsnehmerwechsel mit auf sie übergegangen. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a VVG a.F. nicht wirksam geworden wäre, da ihr damaliger Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Dieses Widerspruchsrecht sei mit dem Wechsel der Versicherungsnehmer-eigenschaft auf die Klägerin übergegangen. In letzter Instanz hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu entscheiden, ob ein Widerspruchsrecht des Arbeitgebers gegen eine Direktversicherung auf den ehemaligen Arbeitnehmer nach dessen Ausscheiden übergeht.

Die Entscheidung des BGH
Im Rahmen seines Hinweisbeschlusses wies der BGH zunächst darauf hin, dass ein eigenes Widerspruchsrecht der Klägerin bei Abschluss der Direktversicherung nicht bestanden habe, da dies dem Versicherungsnehmer zustehe, also dem ehemaligen Arbeitgeber. Auch aus der Übernahme des Vertrages als Versicherungsnehmerin nach Ausscheiden sei für die Klägerin kein eigenes Widerspruchsrecht begründet worden. Denn ein solcher Versicherungsnehmerwechsel beruhe nicht auf dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags, so dass die Pflicht zur Belehrung und das Widerspruchsrecht hier nicht greife. Es handele sich um einen bloßen Übergang der Versicherungsnehmerstellung von dem Arbeitgeber auf die Klägerin.

Darüber hinaus sei ein mangels Belehrung etwaiges „ewiges“ Widerspruchsrecht des Arbeitgebers nicht auf die Klägerin übergegangen. Ferner sei ein auf Rückzahlung der Beiträge gerichtetes Widerspruchsrecht der ausgeschiedenen Arbeitnehmerin mit dem Versorgungszweck der im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Lebensversicherung unvereinbar. Nach dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers greifen bei einer Direktversicherung arbeitsrechtlich bekanntlich die Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrAVG. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann daher den Versicherungsvertrag nicht kündigen. Das sorgt auch dafür, dass der bis zum Ausscheiden finanzierte Teil in einer Privatinsolvenz oder im Hartz-IV-Fall nicht verwertet werden kann und so die Anwartschaft geschützt wird. Die in der Versorgungszusage geregelten Vereinbarungen zum vorzeitigen Ausscheiden im Rahmen der versicherungsvertraglichen Lösung und die gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen sollen nach Auffassung des BGH gerade verhindern, dass die ausgeschiedene Arbeitnehmerin die Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Durch die Regelungen solle die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben. Ein auf Rückzahlung der Beiträge gerichtetes Widerspruchsrecht stelle allerdings eine solche Liquidation dar. Mit dieser gesetzlichen Intention sei ein Widerspruchsrecht, das auf Auszahlung der Beiträge gerichtet ist, nicht zu vereinbaren.

Fazit

Ein eigenes Widerspruchsrecht der versicherten Person besteht nach Auffassung des BGH nicht. Zudem begründet die Übernahme der Versicherungsnehmerstellung ebenfalls kein solches der ausgeschiedenen Arbeitnehmerin. Im Übrigen geht ein etwaiges Widerspruchsrecht der ehemaligen Arbeitgeberin nicht auf die ausgeschiedene Arbeitnehmerin über, da ein solches auf Rückzahlung der Beiträge gerichtetes Widerspruchsrecht nicht mit dem Versorgungszweck vereinbar wäre.

Ausblick
Der BGH hat durch die Ausführungen im Rahmen seines Hinweisbeschlusses mehr Rechtssicherheit geschaffen und insbesondere den Versorgungszweck der betrieblichen Altersversorgung hervorgehoben. Denn in der Vergangenheit kam es im Rahmen der versicherungsvertraglichen Lösung bereits mehrfach zu Versuchen der versicherten Personen, unter Berufung auf das Widerspruchsrecht und entgegen der strengen Vorgaben des Betriebsrentenrechts vorzeitig in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen. Die Auflösung der Versicherung hätte für die Arbeitgeber einen Verstoß gegen das Betriebsrentengesetz bedeuten können. Diesem Ansinnen der versicherten Personen hat der BGH nunmehr einen Riegel vorgeschoben.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial