23. Februar 2023

Kapital statt lebenslanger Betriebsrente

In beiden zu entscheidenden Fällen hatte der Arbeitgeber jeweils Versorgungszusagen erteilt, die einseitig auf Arbeitgeberseite die Möglichkeit vorsahen, anstelle einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten.

Von dieser Option machte der Arbeitgeber zum Rentenbeginn in beiden Fällen Gebrauch, womit die jeweiligen Arbeitnehmer nicht einverstanden waren.  

Das BAG entschied in beiden Fällen zugunsten der Arbeitnehmer, wobei im Zeitpunkt der Erstellung dieses Newsletters noch keine Entscheidungsgründe vorlagen.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22
(VorinstanzLAG Düsseldorf, 06.04.2022 - 12 Sa 1068/21) 

In diesem Fall - Vorinstanz Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf - war in der Versorgungszusage, die der Arbeitgeber über die Unterstützungskasse erteilt hatte, vorgesehen, anstelle der laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen. Hiervon wurde zum Rentenbeginn Gebrauch gemacht, womit sich die Arbeitnehmerin nicht einverstanden erklärte und den Betrag zurücküberwies. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab ihr Recht und wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Die Vorinstanz erklärte die in der Versorgungszusage enthaltene Klausel auch für unwirksam. 

Umstellung auf Kapital bedarf einer wechselseitigen Interessenabwägung
Die Umstellung einer eigentlich vorgesehenen Betriebsrente in eine Kapitalzahlung bedarf einer Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Bei der Abwägung muss zugunsten des Arbeitnehmers beispielsweise verhindert werden, dass das Langlebigkeitsrisiko vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen wird, keine Rentenanpassungsprüfungspflicht, kein Pfändungsschutz und eine höhere Steuerlast entsteht. Zugunsten des Arbeitgebers kann die günstigere Bilanzierung oder die Leistungsverbesserung durch Anhebung des Dotierungsrahmens berücksichtigt werden.

Änderung in Kapitalzahlung nicht zumutbar - Verstoß gegen AGB 
Im Grundsatz sind laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung. Bei der Interessenabwägung kann jedoch insbesondere eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses, also des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, ein Indiz für die Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehalts sein. Das war vorliegend der Fall. Der Arbeitgeber kann durch eine formularmäßig einseitig vorbehaltene Gestaltungsmöglichkeit aus der laufenden Betriebsrente eine nicht wertgleiche Kapitalabfindung machen. Dadurch wird diesem zum einen die Möglichkeit eröffnet, einseitig zum Beispiel das Langlebigkeitsrisiko zu verlagern, ohne dass dies hier mangels vereinbarter Voraussetzungen für die Arbeitnehmerin kalkulierbar wäre. Ebenso kann er die Anpassungsprüfungspflicht damit obsolet werden lassen. Hinzu kommen steuerrechtliche Nachteile für die Arbeitnehmerin.

Das LAG Düsseldorf orientiert sich hinsichtlich der Wertgleichheit einer Kapitalabfindung, die nicht richtig definiert wird, am Betriebsrentengesetz. Maßgeblich ist danach für die Abfindungsberechnung der Barwert der künftigen Versorgungsleistung, wobei bei dessen Berechnung die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend sind. Hier wird durch die Klausel gestattet, die laufende Betriebsrentenleistung ohne weitere Voraussetzungen in eine geringwertigere Kapitalleistung zu ändern, nämlich nur die zehnfache Jahresrente. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Nachteile ist die Klausel daher unwirksam.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 - 3 AZR 501/21 
(Vorinstanz LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2021 – 4 Sa 221/21)

Bei dieser Entscheidung lautete die zuletzt in einem Nachtrag befindliche Klausel zur Kapitalabfindung anstelle einer lebenslangen Rentenzahlung in der Versorgungszusage wie folgt: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen; hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus dieser Versorgungszusage. Die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung entspricht dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften, ermittelt nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG zum letzten Bilanztermin vor der Abfindung". Von dieser Abfindungsklausel machte die Firma Gebrauch, womit der Arbeitnehmer nicht einverstanden war. Der Arbeitnehmer wollte auf jeden Fall bei Rentenbeginn eine lebenslange Altersrente erhalten. In einem undatierten sowie nicht unterschriebenen Anhang zu einem Dienstvertrag war nur von „Rente“ die Rede.

Auch hier hat das BAG das Urteil der Vorinstanz (LAG Hamm) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Vereinbarung eines wirksamen Wahlrechts?
Die Vorinstanz war der Auffassung, dass eine wirksame Abfindungsklausel vereinbart wurde und sich durch diese in der Versorgungszusage für die Firma das Recht ergeben habe, nach ihrer Wahl anstelle der monatlichen Rentenzahlung eine wertgleiche einmalige Kapitalabfindung zu zahlen. Billiges Ermessen sei hier nicht zu berücksichtigen, so dass nicht näher auf die Interessen des Arbeitnehmers eingegangen wurde. Die Vereinbarung des Wahlrechts, anstelle der Altersrente eine Kapitalzahlung zu leisten, lässt den Schluss zu, dass die Arbeitgeberin einseitig und ohne Rücksicht auf die Interessenlage des Klägers entscheiden können sollte, ob sie von dem Vorbehalt Gebrauch macht oder nicht. Insofern hielt das LAG Hamm die Kapitalabfindung des Arbeitgebers für rechtmäßig.

Bewertung
Das sah das BAG anders, hob das Urteil des LAG Hamm auf und wies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Diese Entscheidung deutet darauf hin, dass wohl auch in diesem Fall, in dem sich der Arbeitgeber einseitig vorbehalten hat, anstelle der Rente eine wertgleiche Kapitalzahlung zu leisten, die wesentlichen Umstände abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Eine solche Abwägung hatte vorliegend nicht stattgefunden. Zudem könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass im Anhang zum Arbeitsvertrag nur noch von Rentenzahlung die Rede war. Hier bleiben die Gründe abzuwarten.  

Insgesamt dürfte es durch die Rechtsprechung des BAG schwieriger für den Arbeitgeber werden, sich einseitig eine Kapitalzahlung vorzubehalten und diese dann wirksam im Versorgungsfall auszuüben, ohne dabei auch die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers im Blick zu haben. Vielmehr sollten immer die gegenseitigen Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen sein.

In diesem Zusammenhang müsste auch die Wertgleichheit der Kapitalleistung eine entscheidende Rolle spielen. Das BAG hat bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, dass dann, wenn die Kapitalleistung nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert denjenigen der nach der Altregelung geschuldeten Rentenleistung übersteigt, unter Umständen die Nachteile des Arbeitnehmers infolge der Umstellung überwiegen kann. Das bedeutet im Klartext, dass der Arbeitgeber sich bereits im Vorfeld überlegen sollte, solche Fälle hinsichtlich der Höhe der Leistung großzügiger zu behandeln, um so die Nachteile des Arbeitnehmers abzumildern. Die mögliche Höhe dieser Summe hängt von vielen Faktoren ab und ist sicherlich nicht leicht zu entscheiden. 

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial