28. Februar 2024

Interner Versorgungsausgleich: keine Besteuerung bei wirtschaftlicher Rückübertragung einer übertragenen Versorgungsanwartschaft

BFH-Urteil vom 10.10.2023 – IX R 15/22


Verzichtet eine ausgleichsberechtigte Person in einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung auf die ihr im Rahmen eines internen Versorgungsausgleichs gerichtlich übertragenen Anwartschaften aus einer Pensionszusage, führt dies bei ihr nicht zu einem Zufluss von steuerpflichtigen Einkünften. Der Bundesfinanzhof (BFH) widerspricht damit der Auffassung der Finanzverwaltung.

Der Sachverhalt
Scheidungsbedingt wurde ein vom Ehemann bei einer GmbH erworbenes betriebliches Anrecht zwischen den Ehepartnern aufgeteilt. Dies erfolgte im Rahmen des Versorgungsausgleichs in Form einer internen Teilung, infolge derer der Ehefrau ein Anspruch aus der Pensionszusage bei der GmbH übertragen wurde.

Dem rechtskräftigen Beschluss zeitlich nachfolgend verständigten sich die ehemaligen Ehepartner neu und vereinbarten im Rahmen eines entgeltlichen Austauschvertrags (notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung) unter anderem, dass der Mann verpflichtet sei, der Frau Miteigentum an Grundstücken zu übertragen. Als Gegenleistung verzichtete die Frau unter anderem auf das ihr durch Beschluss übertragene Anrecht aus der Pensionszusage der GmbH zugunsten des Mannes. Die GmbH hat die Vereinbarung zur Kenntnis genommen und zugestimmt, künftige Zahlungen aus der Zusage wieder in voller Höhe gegenüber dem Mann zu erbringen.

Das Finanzamt vertritt daraufhin jedoch die Auffassung, dass der Frau infolge des vereinbarten Verzichts Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe des Barwerts des Anrechts zugeflossen seien und berücksichtigte diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid der Frau.

Dagegen erhob die Ehefrau Einspruch, den das Finanzamt als unbegründet zurückwies. Daraufhin klagte die Ehefrau vor dem Finanzgericht, welches ihr recht gab und ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit niedriger festsetzte. Das Finanzamt wiederum legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein und beantragte beim BFH, die Entscheidung aufzuheben und die Klage der Ehefrau abzuweisen.

Die Entscheidung
Der BFH jedoch entschied zugunsten der Frau und stellte fest, dass aus der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung keine steuerbaren Einkünfte erzielt wurden.

Nach Auffassung des Gerichts erzielte die Frau aus der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung weder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, noch lag ein privates Veräußerungsgeschäft vor oder außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG).

Denn erst wenn der Anspruch aus der Pensionszusage der GmbH erfüllt worden wäre, wären Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Arbeitslohn bezogen worden. Dazu hätte die GmbH die aus der Pensionszusage geschuldete Leistung erbringen müssen. Diesbezüglich stellt das Gericht fest, dass die Frau von der GmbH keine Zahlungen erhalten hat. Auch der Mann hat ihr keine Leistungen zukommen lassen, mit denen die Pensionszusage bei der GmbH erloschen wäre. Im Gegenteil: Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Pensionszusage auch nach der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung weiterhin bestehen bleibt. Der Mann will mit der Grundstücksübertragung folglich keine Verbindlichkeit der GmbH erfüllen, sondern seine eigene Verpflichtung, damit die ehemalige Ehefrau zu seinen Gunsten auf die Erfüllung der Pensionszusage durch die GmbH verzichtet.

Auch die Tatsache, dass diese zum Zeitpunkt der Vereinbarung lediglich über eine Anwartschaft bei der GmbH verfügt habe und nicht über einen fälligen Anspruch, hat zur Folge, dass kein Lohnzufluss erfolgt ist.

Das Gericht stellt weiterhin fest, dass ein Lohnzufluss auch deswegen ausgeblieben sei, da die Ex-Frau nicht gegenüber der GmbH auf die übertragene Anwartschaft verzichtet hat. Sie hat lediglich gegenüber ihrem Ex-Mann auf ihre Anwartschaft aus der Pensionszusage verzichtet, wobei die Pensionszusage selbst bestehen bleiben musste. Dies ist wirtschaftlich auch von allen Beteiligten (Frau, Mann und GmbH) akzeptiert und somit gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO zu berücksichtigen. Denn nur im Falle einer bestehenden Pensionszusage hat die Frau eine Gegenleistung, die sie für die Übertragung des Miteigentums an den Grundstücken nutzen kann. Infolge des Verzichts in der Scheidungsfolgenvereinbarung erhält der Mann bei Fälligkeit des Anspruchs die Leistung aus der seiner ehemaligen Frau übertragenen Anwartschaft. Dann würde ihm die Leistung zufließen und damit der Arbeitslohn, der ihm als Lohnanspruch steuerlich zuzurechnen wäre. Folglich hätte die Ex-Frau keine Lohneinkünfte erzielt, da allein die Übertragung der Anrechte im Wege der internen Teilung steuerfrei ist (§ 3 Nr. 55a Satz 1 EStG).

Kein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG)
Eine Anschaffung des übertragenen Anrechts im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG hat das Gericht nicht festgestellt, da die Frau die Anwartschaft im Rahmen der internen Teilung übertragen bekam und dies gemäß § 3 Nr. 55a Satz 1 EStG steuerfrei erfolgt. Auch der Mann als Rechtsvorgänger der Frau hat die Anwartschaft infolge seiner Beschäftigung für die GmbH erdient und somit nicht angeschafft.

Keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
Weiterhin ist keine Entschädigung für entgangene Einnahmen entstanden, sondern eine Gegenleistung für die freiwillige Aufgabe einer werthaltigen Rechtsposition.

Fazit

Der BFH stellt klar, dass zumindest wenn die ausgleichsberechtigte Person im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung nach dem rechtskräftig beschiedenen Versorgungsausgleich auf einen noch nicht fälligen Anspruch aus einer übertragenen Pensionszusage verzichtet, sie keine sofortige Versteuerung fürchten muss. Auch die Frage, ob bei Fälligkeit des Anspruchs im späteren Verlauf ein Zufluss bei ihr entsteht, hat der BFH entschieden. Somit ist in einem Teilbereich von Scheidungsfolgenvereinbarungen für Klärung gesorgt. Jedoch ist die Dringlichkeit der Unterstützung durch einen Steuerberater auch im Rahmen von Versorgungsausgleichsfragen noch einmal deutlich geworden.

Vanessa Angel, Syndikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial