15. November 2017

Hohe Hürden für die Annahme einer Umfassungszusage bei Zusagen vor dem 1.7.2002 (BAG-Urteil vom 21.3.2017 – 3 AZR 464/15)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Pensionskasse gegenüber dem Versorgungsberechtigten nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn eine auf eigenen Beiträgen erworbene Anwartschaft, die über den betriebsrentenrechtlichen Abfindungsgrenzen (§ 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)) liegt, beim Ausscheiden im Rahmen einer Austrittsvergütung kapitalisiert wurde. Der Versorgungsberechtigte kann sich in diesem Fall nicht auf einen Verstoß gegen das betriebsrentenrechtliche Abfindungsverbot berufen.

 

Austrittsvergütung durch Pensionskasse

Der Versorgungsberechtigte war von 1982 bis 1992 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Dieser hatte ihm eine Direktzusage erteilt, aus der der Versorgungsberechtigte seit Juni 2014 ein Altersruhegeld erhält. Er war, wie arbeitsvertraglich vorgesehen, außerdem Mitglied der Konzern-Pensionskasse. Während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses zahlte er an die beklagte Pensionskasse Beiträge aus seinem versteuerten und verbeitragten Einkommen. Nach der Satzung der Pensionskasse erhalten die Mitglieder eine sogenannte Austrittsvergütung, wenn sie aus den Gesellschaften durch Beendigung des Dienstverhältnisses ausscheiden. Im vorliegenden Fall wurde dem Versorgungsberechtigten diese „Austrittsvergütung“ auf Antrag nach Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen bezogen auf die von ihm finanzierte Anwartschaft ausgezahlt. Die Austrittsvergütung lag deutlich über der betriebsrentenrechtlichen Grenze für die Abfindung von Kleinstanwartschaften. Der Versorgungsberechtigte berief sich schließlich darauf, dass die Zahlung der Austrittsvergütung in seinem Fall einen Verstoß gegen das Abfindungsverbot darstellt und verlangte von der Pensionskasse die Auszahlung einer monatlichen Altersrente.

Wille des Arbeitgebers entscheidend

Das BAG lehnte dies ab. Die Anwartschaft des Klägers bei der Pensionskasse beruhte ausschließlich auf Eigenbeiträgen. Vom Arbeitnehmer selbst finanzierte Beiträge zur Altersversorgung stellen keine bAV dar. Eine sogenannte Umfassungszusage sei nicht dargelegt. Aus den Gesamtumständen ergebe sich nicht, dass die Zusage des Arbeitgebers auch die auf den Arbeitnehmerbeiträgen beruhenden Leistungen umfassen solle. Denn die gesetzliche Regelung zur Umfassungszusage (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG) gebe dem Arbeitgeber grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er eine, auch die Leistungen aus Arbeitnehmerbeiträgen umfassende Zusage erteilen wolle oder ob diese Leistungen nicht von der Zusage umfasst werden sollten. 

Rechtslage im Zusagezeitpunkt ist auch zu berücksichtigen

Bei Zusagen, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift zum 1.7.2002 erteilt wurden, gelten für die Annahme, die Zusage des Arbeitgebers erfasse auch die auf Beiträgen der Arbeitnehmer beruhenden Leistungen, erhöhte Anforderungen. Dies hatte das BAG bereits im Jahr 2016 in einem anderen Fall entschieden. Danach sind rechtsgeschäftliche Erklärungen stets auch vor dem Hintergrund der gesetzlichen Rechtslage zu verstehen, vor der sie abgegeben werden. Ein Arbeitgeber, der vor der Klarstellung der Rechtslage durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.7.2002 Leistungen der bAV zusagte und hierbei gleichzeitig einen Eigenbeitrag der Arbeitnehmer vorsah, tat dies nicht vor dem Hintergrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wonach seine Zusage auch die Einstandspflicht für den von den Arbeitnehmern zu finanzierenden Teil des Leistungsversprechens auslösen konnte.

Arbeitsvertragliche Pflichtmitgliedschaft allein nicht ausreichend

Nunmehr stellt das BAG zudem klar, dass allein die arbeitsvertragliche Pflicht, Mitglied der Pensionskasse zu werden und Beiträge zu zahlen, nicht den Schluss zulasse, dass das Unternehmen damit auch Leistungen zusagen wollte, die auf den Eigenbeiträgen des Versorgungsberechtigten beruhten und dafür auch einstehen wollte. Da es sich bei der aus den Eigenbeiträgen des Arbeitnehmers finanzierten Anwartschaft nicht um eine bAV handelte, habe bei einer Auszahlung der bislang geleisteten Beiträge auch kein Verstoß gegen das Abfindungsverbot vorgelegen.

Diese Sichtweise mag überraschen. Vor dem Hintergrund aber, dass die Rechtslage bei Erteilung der Zusage zu berücksichtigen ist, kann diese nachvollzogen werden.

Fazit:

Diese Entscheidung geht einher mit anderen Entscheidungen aus den Jahren 2016/2017, in denen die Voraussetzungen an eine Umfassungszusage zu prüfen war und die Zusage vor dem 1.7.2002 erteilt wurde. 

Das BAG hat sich bei dieser Fragestellung um eine ausgewogene Betrachtungsweise bemüht. Denn in der Tat ist durch die Neuregelung der sogenannten Umfassungszusage eine Regelung in das BetrAVG gekommen, die bei einer engen Auslegung dazu führen würde, dass Arbeitgeber im Nachhinein für Gestaltungen einstehen müssen, die ursprünglich nicht als bAV gedacht waren.

 

Bernd Wilhelm, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial