15. November 2017

„Es weihnachtet sehr“: Marzipantorte und Freifahrtticket für öffentlichen Nahverkehr als bAV? (ArbG Köln-Urteil vom 24.11.2016 – 11 CA 3589/16 und LAG Düsseldorf-Urteil vom 23. 6.2017 – 6 Sa 173/17)

Weihnachten ist das Fest der Geschenke, nicht nur im privaten, auch im beruflichen Leben. Selbst die bAV kann dabei eine Rolle spielen…

 

Marzipantorte: Betriebliche Übung zum Ersten

Im Fall vor dem Arbeitsgericht Köln begehrte der Kläger, der Betriebsrentner bei der Beklagten war, auf der Grundlage einer betrieblichen Übung weiterhin den Erhalt einer Marzipantorte zu Weihnachten.

Diesen Anspruch verneinte das Arbeitsgericht Köln. In den Urteilsgründen führte es aus, dass es zwar grundsätzlich möglich sei, einen solchen Anspruch auf betriebliche Übung zu stützen. Denn nicht nur Geldleistungen, sondern auch Sach- und Nutzungsleistungen können Leistungen der bAV über eine betriebliche Übung sein. Hier sei aber bei der beklagten Firma ein solches Verhalten nicht erkennbar gewesen. 

Voraussetzung für eine betriebliche Übung

Denn betriebliche Übung setzt ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers voraus. Dieses muss geeignet sein, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (vergleiche BAG-Urteil vom 11.11.2014 – 3 AZR 849/11). Entscheidend ist also, ob die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte und Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG-Urteil vom 19.5.2016 – 3 AZR 131/15). 

Kein Anspruch auf eine jährliche Torte

Vorliegend hatte der Arbeitgeber die Betriebsrentner unterschiedlich behandelt. Nicht alle Rentner bekamen eine Torte. Zudem durfte der Kläger aufgrund des Anschreibens nicht davon ausgehen, dass diese Leistung auch zukünftig gewährt wird. Denn der Arbeitgeber hatte die Entscheidung nur für das jeweilige Jahr getroffen und damit einen einschränkenden Vorbehalt formuliert.

Entzug eines Freifahrttickets = Änderung einer Versorgungszusage

Im zweiten Fall bejahte das LAG Düsseldorf einen Anspruch des Klägers darauf, dass ab Eintritt in den Ruhestand seiner Ehefrau ein lebenslanges kostenloses Ticket für den öffentlichen Nahverkehr zu gewähren ist. Bis zum Eintritt in den Ruhestand verneinte es einen Anspruch.

Freifahrtticket: Betriebliche Übung zum Zweiten

Ein Anspruch des Klägers für seine Ehefrau ergibt sich auch hier aus einer betrieblichen Übung, da die Firma über Jahre hinweg vorbehaltlos den Ehegatten ihrer Betriebsrentner ein kostenloses Ticket zur Verfügung gestellt hatte.

Das biologische Ereignis, welches Kriterium für die Qualifizierung einer bAV ist, ist hier das Erreichen des Rentenalters. Die Leistung in Form des Tickets dient auch einem Versorgungszweck, nämlich der Sicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusage nicht wirksam abgelöst

Der durch die betriebliche Übung begründete Anspruch auf Ticketgewährung ab Eintritt in den Ruhestand ist nicht durch eine anderslautende Betriebsvereinbarung wirksam abgelöst worden. Bei der Prüfung einer wirksamen Ablösung sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des von der Rechtsprechung entwickelten dreistufigen Prüfungsschemas zu berücksichtigen (vergleiche BAG-Urteil vom 13.10.2016 – 3 AZR 439/15).

Eingriff in die erste Besitzstandsstufe

Vorliegend ist ein Eingriff in die erste Besitzstandsstufe gegeben, da der Anspruch auf das Freifahrtticket im Zeitpunkt der Ablösung schon vollständig erdient war. Für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs bedarf es zwingender Gründe, die hier nicht gegeben waren. Es wurden lediglich Sparzwänge der Firma als Gründe angeführt, wobei auch nicht vorgetragen wurde, dass diese möglicherweise aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorgelegen haben. Daher dürften selbst sachlich proportionale Gründe für einen Eingriff nicht vorgelegen haben.

Fazit:  

Auch auf den ersten Blick nicht typische Leistungen können als bAV qualifiziert sein; sie unterliegen dann aber auch den strengen Anforderungen an das Betriebsrentengesetz und der Rechtsprechung des BAG.

 

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial