04. September 2019

Direktversicherung bei Privatinsolvenz nicht immer geschützt (BGH-Beschluss vom 20.12.2018 – IX ZB 8/17)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Beschluss damit beschäftigt, ob Ansprüche eines Schuldners auf Leistungen einer für die bAV durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung der Nachtragsverwaltung unterliegen, wenn die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.


Der Fall
Der Schuldner war für eine Versicherung tätig, welche zu dessen Gunsten zwei Direktversicherungen abschloss. Versicherungsnehmer war die Kasse, versicherte Person der Schuldner. Diesem wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht im Erlebensfall eingeräumt. Die vereinbarte Versicherungsleistung sollte spätestens bei Vollendung des 65. Lebensjahres fällig sein. Auf Eigenantrag des Schuldners wurde das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt, welche die Direktversicherungen nicht verwertete, sondern in ihrem Schlussbericht beantragte, die Nachtragsverteilung hinsichtlich der zukünftig dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen anzuordnen. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung hinsichtlich der zukünftigen dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen angeordnet und die Insolvenzverwalterin zur Nachtragsinsolvenzverwalterin bestimmt. Der entsprechende Beschluss des Amtsgerichts wurde auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hin durch das Landgericht aufgehoben. Mit der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde erstrebte die Nachtragsinsolvenzverwalterin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses. Deren Rechtsbeschwerde führte schließlich zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

Sofortige Verwertbarkeit ist keine Voraussetzung
Betriebsrenten sind nicht immer sicher, wenn deren Bezieher überschuldet sind. Denn die Insolvenzmasse erfasst nach § 35 Insolvenzordnung (InsO) das Vermögen, welches dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt. Daher können nach der Auffassung des BGH Betriebsrenten gepfändet und im Insolvenzfall nach Rentenbeginn verwertet werden. Dies sei im Rahmen einer sogenannten Nachtragsverteilung möglich. Ein pfändbarer Anspruch gehöre schon dann zur Masse, wenn der Anspruch bereits entstanden ist – auch wenn man ihn erst nach Rentenbeginn verwerten kann. Sofern bestimmte Ansprüche pfändbar sind, könne die Zugehörigkeit der Ansprüche zur Insolvenzmasse nicht deshalb verneint werden, weil die Verwertung erst zukünftig möglich sei. Die uneingeschränkte, sofortige Verwertbarkeit sei keine Voraussetzung der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Masse. Dies könne auch bei Ansprüchen des Schuldners aus einer im Rahmen der bAV abgeschlossenen Direktversicherung gelten (§ 1b Abs. 2des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG)). Denn wenn der Schuldner unwiderruflich als Bezugsberechtigter benannt ist, steht ihm nach Auffassung des BGH der Anspruch auf die Leistung des Versicherers  als bezugsberechtigt zu. In diesem Fall sei der Anspruch mangels anderslautender Vereinbarung bereits mit Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts erworben und damit entstanden (§ 35 InsO).

Betriebsrentengesetz erlaubt Pfändung der fälligen Ansprüche
Laut BGH soll § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG verhindern, dass ein zur Alterssicherung gedachtes Vermögen diesem Zweck vor Eintritt des Versicherungsfalls wieder entzogen wird. Denn der mit dem Abschluss der Direktversicherung angestrebte Zweck solle nicht dadurch unterlaufen werden, dass die angesparten Beträge verwertet werden, bevor der Versicherungsfall eingetreten ist. Sie sollen ja schließlich für den Versorgungszweck erhalten bleiben. In welchem Umfang der Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalls tatsächlich in den Genuss der Alterssicherung kommen soll, sei allerdings nicht im Betriebsrentengesetz geregelt worden. Das Gesetz (§ 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG) hindere einen Gläubiger des Arbeitnehmers nicht daran, auf dem Wege der Pfändung auf die mit dem Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche zuzugreifen. Denn nach der Auffassung des BGH sei es lediglich der Zweck des BetrAVG, Arbeitnehmern den ersten Anspruch bis zum Rentenbeginn zu erhalten. Mit Renteneintritt seien die Ansprüche aus einer Direktversicherung dann nicht mehr durch das BetrAVG geschützt, sondern nach den allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften.

Beschränkung des BGH
Der BGH beschränkt allerdings die Verwertbarkeit der Ansprüche aus einer Direktversicherung. Insofern sei nur das Vermögen des Schuldners Bestandteil der Masse, welches bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens erlöst worden wäre. Jedoch könne im Rahmen einer sogenannten Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) auf die Direktversicherung auch noch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zurückgegriffen werden. Dies gelte auch dann, wenn diese bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens bereits bekannt gewesen und nicht für verwertbar angesehen worden sei.

Fazit:

Ansprüche aus Direktversicherungen können zur Insolvenzmasse gehören. Der BGH unterscheidet zwischen dem Anspruch auf die Anwartschaft vor Rentenbeginn und dem Anspruch auf die Versicherungsleistung nach Rentenbeginn. Ersterer ist durch das BetrAVG geschützt, letzterer durch die allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften. Somit können Rentenanwartschaften aus Direktversicherungen in der Anwartschaftsphase nicht ihrem eigentlichen Zweck entzogen werden, nämlich der angestrebten Altersvorsorge. Mit Rentenbeginn entfällt der Schutz des Betriebsrentengesetzes für Ansprüche, die Bestandteil der Masse geworden sind. Hierbei handelt es sich um solche Ansprüche, die bereits bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens erlöst worden wären. Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist nach Auffassung des BGH auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch möglich, wenn die Direktversicherung bei Aufhebung bereits bekannt war und für nicht verwertbar angesehen wurde.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial