07. September 2023

Digitale Rentenübersicht – Erster Erfahrungsbericht der Longial-Experten

Ein richtiger und notwendiger Anfang
Am Freitag, den 30.06.2023, startete die Digitale Rentenübersicht mit der Freischaltung des Online-Portals für die breite Öffentlichkeit in die Pilotphase. Das Portal ist als Minimum Viable Product (MVP) mit öffentlichem Testbetrieb und als die erste Entwicklungsstufe für viele in den nächsten Jahren folgende Ausbaustufen zu verstehen. Ziel ist es, einen individuellen Überblick über alle drei Säulen des Rentensystems zu erhalten, sowohl zu den erworbenen Ansprüchen, als auch für künftig zu erwerbende Altersvorsorgeansprüche. Zunächst sind neun Versorgungseinrichtungen an das Portal angebunden (Stand 14.08.2023) - in den nächsten Monaten sollen weitere dazukommen. Bis voraussichtlich Ende des Jahres 2024 werden so alle Anbieter von Altersvorsorgeprodukten angebunden, die bereits heute zu Standmitteilungen verpflichtet sind, insbesondere Pensionskassen, Lebensversicherer und Pensionsfonds. An einer konkreten Verordnung im Rahmen des Rentenübersichtsgesetzes (RentÜG) wird seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit noch gearbeitet.

Nach fast drei Jahren Entwicklungszeit, also seit Verabschiedung des Regierungsentwurfes, ist unter Einbindung relevanter Steakholder unter anderem der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba), dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) und Vertretern des Bundesfinanzministeriums (BMF), des BMAS und der gesetzlichen Rentenversicherung ein guter Anfang gemacht worden. Die Informationen sind durch ein Two-Layer-Prinzip sehr übersichtlich gestaltet, klar strukturiert und intuitiv aufgebaut. Sucht man weitere Details, steigt man tiefer ein. 

Erweiterung der Authentifizierungsmöglichkeiten
Die Anmeldung im Online-Portal ist ausschließlich mit einer Identitätsprüfung durch den elektronischen Personalausweis (eID) möglich. Dafür muss die Online-Ausweisfunktion zunächst durch die AusweisApp2 freigeschaltet werden und der Nutzende seine alte PIN, die er bei der Ausstellung des Ausweises (seit 2017) erhalten hat, kennen oder sich eine neue freischalten lassen. Die Freischaltung der Online-Ausweisfunktion funktioniert und man wird Schritt für Schritt klar und verständlich durch die weitere Registrierung geführt. Zum Schluss wird die Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) abgefragt. Erläuterungen im Portal geben Hinweise dazu, wo diese zu finden ist (etwa in Einkommenssteuerbescheiden oder Gehaltsabrechnungen). Um die breite Bevölkerung wirklich für die Altersvorsorge zu sensibilisieren und sie auch zu erreichen, wäre die Öffnung des Portals für weitere Authentifizierungsmöglichkeiten wünschenswert. Dies würde für beide Seiten – Gesetzgeber und Nutzer – immense Vorteile bringen.

Ein künftiger Einstieg in die Beratung?
Welcher Berater kennt das nicht? Man will seine Kunden über eine individuelle Altersvorsorge informieren, hat aber keinen Überblick über die jeweiligen Ansprüche oder muss diese gar aus unzähligen Standmitteilungen von unterschiedlichen Anbietern mühsam heraussuchen. Wenn alle Verträge dann endlich vorliegen, beginnt die akribische Kleinstarbeit, um die vertragsindividuellen Altersvorsorgeansprüche zuzuordnen. Hat der Nutzende in seiner Lebensarbeitszeit auch noch mehrere Arbeitgeber mit unterschiedlichsten bAV-Versorgungsregelungen, ist Frustration fast vorprogrammiert, will man folgende Fragen abklären: Wie hoch sind die individuellen, tatsächlich erworbenen Ansprüche und wie sehen die Hochrechnungen für den Rentenbeginn aus? Wenn auch noch in einem frühen Entwicklungsstadium, kann hier die digitale Rentenübersicht – mit Zustimmung des Kunden – künftig für einen einfacheren Einstieg und deutlich mehr Klarheit sorgen. Zudem werden individuelle Handlungsempfehlungen durch qualifizierte Beratung schneller ableitbar. Voraussetzung dafür ist, dass die Anbindung der Versorgungseinrichtungen weitestgehend lückenlos ist und über die verpflichtende Anbindung hinaus auch eine Motivation zur freiwilligen Anbindung, insbesondere bei unmittelbaren Zusagen durch den Arbeitgeber, erwächst.

Abfragedauer in Echtzeit?
Versetzt man sich in die Lage des Portalanwenders und unterstellt, dass in den heutigen digitalen Welten die meisten Services in Echtzeit ablaufen, dann wirkt die Abfragedauer von fünf Tagen etwas irritierend. Dies hat mit Sicherheit auch Gründe, wenn man bedenkt, dass sich eine vierstellige Anzahl an Versorgungseinrichtungen anbinden wird, die jeweils unterschiedliche Systemvoraussetzungen haben oder sich über Intermediäre anbinden werden. Aus Sicht von ungeduldigen Anwendern und Anwenderinnen und mit dem Ziel, von ihnen auch viele zu erreichen und frühzeitig für das Thema „Altersvorsorge“ zu sensibilisieren, wird uns auch der digitale Fortschritt voranbringen.

Nancy Rumpel, Leiterin Recht | Channel- und Versorgungsträgermanagement, Longial