25. Mai 2022

Deutsche Aktuarvereinigung legt Ergebnisbericht zur handelsrechtlichen Bewertung rückgedeckter Direktzusagen vor

Im April 2021 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer einen Rechnungslegungshinweis zur handelsrechtlichen Bewertung rückgedeckter Direktzusagen veröffentlicht.

Der Ergebnisbericht1 der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) liefert dazu praxisorientierte Leitlinien für kommende Jahresabschlüsse. 

Rechnungslegungshinweis des Instituts der Wirtschaftsprüfer
Arbeitgeber können Direktzusagen über Rückdeckungsversicherungen (RDVen) finanzieren. Ansprüche aus RDVen sind dann als Vermögensgegenstände zu aktivieren und stehen in der Bilanz des Arbeitgebers den Verpflichtungen aus der Direktzusage gegenüber. Dabei unterscheiden sich meist die allgemeinen Grundsätze der handelsrechtlichen Bewertung von RDV-Ansprüchen und Pensionsrückstellungen .

Das konnte bisher dazu führen, dass sich die Wertansätze deutlich unterscheiden, selbst wenn die Zahlungen aus RDV und Zusage nahezu deckungsgleich sind. Dies galt insbesondere bei Versorgungszusagen zu denen eine RDV ergänzend abgeschlossen wird, die RDV die Zusage also ganz oder teilweise finanzieren soll – ohne dass die Leistungen aus der Zusage durch die Leistungen der RDV bestimmt werden (Zusagen ohne Versicherungsbindung).

Um solche unangemessenen Bewertungsdifferenzen zu vermeiden, hatte der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) am 30. April 2021 den Rechnungslegungshinweis (RH) „Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ verabschiedet (IDW RH FAB 1.021).

Der Grundgedanke des RH ist ein Vergleich der erwarteten Zahlungsströme aus Direktzusage und RDV. Soweit sich gleiche Zahlungsströme gegenüberstehen, z. B. 100 Euro Rente monatlich ab Alter 67 sind zugesagt, die RDV zahlt ab Alter 67 ebenfalls 100 Euro monatlich, sollen diese auch gleich bewertet werden. Der RH zielt damit auf eine wirtschaftlich angemessene Bewertung der inhaltlich zusammenhängenden Bilanzpositionen Zusage und RDV ab. Da die Umsetzung erhebliche prozessuale Anpassungen erfordern kann, wird eine Nichtanwendung der neuen Regeln für Abschlüsse vor dem 31.12.2022 nicht beanstandet.

Reaktionen auf den Rechnungslegungshinweis
Die neuen Bewertungsregeln des RH stoßen auf ein geteiltes Echo. Die Absicht einer angemessenen Bewertung der inhaltlich miteinander verknüpften Rechtsgeschäfte ist sicherlich zu begrüßen. Die Methode des Zahlungsstromvergleichs stellt Arbeitgeber, Aktuare und Versicherer jedoch vor erhebliche Herausforderungen in der Umsetzung. Entsprechend gering ist bisher die Akzeptanz der neuen Regeln.

Neben solchen praktischen Erwägungen äußern renommierte Experten inzwischen auch erhebliche inhaltliche Kritik. So kommen Prof. Dr. Höfer und Kollegen2 für den Fall von nicht versicherungsgebundenen Zusagen zu der Einschätzung, dass die mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründete Auffassung des RH die gesetzlichen Regelungen „sehr weit aus[legt] und daher nicht zwingend“ sei. Daher „kann es bei der […] herkömmlichen Bewertung bleiben. Die aufwendige Prüfung, ob der Aktivwert – oder welcher Teil von ihm – den Wert der Versorgungszusage bestimmt, entfällt“.

Auch Thomas Hagemann3, Chefaktuar bei Mercer, äußert sich kritisch. Aus seiner Sicht überschreitet das IDW mit dem RH seine Zuständigkeit: Die Änderungen sind „nicht durch das Gesetz gedeckt“. […] Der Rechnungslegungshinweis möchte Bilanzierungsregeln abändern, nicht nur auslegen. Das ist aber Sache des Gesetzgebers“. Zudem seien wichtige Folgefragen nicht beantwortet.

Herausforderungen in der Umsetzung
Unabhängig von der sicherlich berechtigten Kritik an der Methodik des RH, werden Unternehmen nicht umhinkommen die neuen Regeln in Jahresabschlüssen ab dem 31.12.2022 anzuwenden, möchten sie nicht in Konflikt mit ihrem Abschlussprüfer geraten.

Dies stellt die am Jahresabschluss Beteiligten vor enorme praktische Herausforderungen: Für die Umsetzung werden künftig deutlich mehr Informationen über die RDV benötigt. Das kann Folgen für den Umfang, die Komplexität und auch den Zeitplan der Bewertung der Pensionsrückstellungen im Jahresabschluss haben. In vielen Fällen ist der Versicherer künftig erheblich stärker in die Prozesse einzubinden.

Bislang war es für Arbeitgeber beispielsweise durchaus üblich, die Berechnung der Pensionsrückstellung bereits frühzeitig beim Gutachter zu beauftragen und das Ergebnis zu verbuchen. Die Aktivierung der RDV konnte im Nachgang erfolgen, sobald das entsprechende Aktivwertschreiben des Versicherers vorlag. In Zukunft können die Informationen des Versicherers jedoch eine entscheidende Basis für die Bewertung der Verpflichtungen bilden. Dementsprechend werden die versicherungsmathematischen Gutachter, die Unternehmen beziehungsweise deren Wirtschaftsprüfer gegebenenfalls deutlich früher und auch wesentlich umfangreichere Informationen beim Versicherer zu den bestehenden RDV anfordern.

Ergebnisbericht der DAV für die Praxis
Mit dem nun vorgelegten Ergebnisbericht gibt die DAV bilanzierenden Unternehmen und Gutachtern einen praxisorientierten Leitfaden für die Umsetzung des RH an die Hand. Der Ergebnisbericht erläutert zunächst Absicht und Inhalt des RH und verdeutlicht anhand von verschiedenen Fallbeispielen die neuen Regeln. 

Die wesentlichen Ergebnisse finden sich im dritten Teil des Ergebnisberichts: Hier werden Sachverhalte aufgeführt, in denen nach Auffassung der Autoren bei nicht versicherungsgebundenen Zusagen dem Grunde nach keine korrespondierenden Zahlungsflüsse zwischen Zusage und RDV bestehen oder in denen diese für eine bilanzielle Erfassung unwesentlich sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Rentenzusage durch eine Kapitallebensversicherung  ohne Rentenoption rückgedeckt wird. Auch sämtliche Formen einer Rückdeckung mit fonds- oder indexbasierten Versicherungsprodukten fallen darunter. In diesen Fällen sind die Regeln des RH nicht anzuwenden und es bleibt bei den bisherigen getrennten Bewertungsansätzen .

Liegt kein solcher Ausnahmetatbestand vor, steht das bilanzierende Unternehmen vor der Herausforderung, dass die Zahlungsströme aus der RDV aufgrund fehlender Detailinformationen in vielen Fällen nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu ermitteln sind. Um die Regeln des RH dennoch mit angemessenen versicherungsmathematischen Methoden umzusetzen, unterscheidet der Ergebnisbericht zwei Formen von Bewertungsverfahren.

Die zahlungsstrombasierten Verfahren orientieren sich stark am Wortlaut des RH. Dabei sind die erwarteten Zahlungsströme aus der RDV auf Basis der vorhandenen Informationen geeignet zu schätzen. Der Ergebnisbericht verweist hierzu auf mögliche Vereinfachungen.

Die sogenannten faktorbasierten Verfahren verzichten auf eine detaillierte Ermittlung der Zahlungsströme. Stattdessen werden die korrespondierenden Anteile der Zusage und der RDV über Barwerte verglichen. Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass sie bereits mit sehr wenigen Informationen über die RDV eine Umsetzung des RH mit vertretbarem Aufwand ermöglichen.

Im Anhang führt der Ergebnisbericht Biometriefaktoren für die faktorbasierten Verfahren auf. Barwerte der Pensionszusage und Aktivwerte der RDVen sind damit anhand weniger Informationen umrechenbar und vergleichbar. Für die meisten Konstellationen ist es so möglich, die Anforderungen des RH effizient umzusetzen.

Fazit

Der RH des IDW verfolgt die gute Absicht einer wirtschaftlich angemessenen Bewertung rückgedeckter Zusagen. Die Regeln können in der Praxis jedoch zu erheblichem Mehraufwand führen und sind fachlich nicht unumstritten.

Der Ergebnisbericht der DAV nennt vor diesem Hintergrund praxisorientierte Leitlinien, wie Bilanzierende die Regeln des RH mit vertretbarem Aufwand durch angemessene Näherungsverfahren umsetzen können.

Unternehmen mit rückgedeckten Versorgungszusagen sollten frühzeitig Kontakt mit ihrem Gutachter und ihrem Versicherer aufnehmen, um die erforderlichen Prozesse zur Umsetzung des RH im kommenden Jahresabschluss abzustimmen.

Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS, Beratung & Prozesse, Longial
(Experte für die Bilanzierung von Pensions- und Personalverpflichtungen nach deutschem und internationalem Handelsrecht)
 

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1  Ergebnisbericht des Fachausschusses Altersversorgung der DAV, „Aktuarielle Umsetzung des IDW Rechnungslegungshinweises IDW RH FAB 1.021 zur handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“, 26.04.2022, abrufbar über die Internetseite der DAV
2  Höfer, Lange, Eisenach, „Zur handelsbilanziellen Bewertung unmittelbarer Versorgungszusagen mit Rückdeckungsversicherungen“, Der Betrieb, Ausgabe 08/2022, 21.02.2022, Seite 409 ff.
3  Hagemann, „Die neue Bewertung rückgedeckter Pensionszusagen nach IDW RH FAB 1.021 – der Wunsch als Vater des Gedankens“, Der Betrieb, Ausgabe 16/2022, 13.04.2022, Seite 953 ff.