25. September 2025

Bildung von Pensionsrückstellungen für wertpapiergebundene Direktzusagen ohne garantierte Leistungshöhe

BFH-Urteil vom 4.9.2024 – XI R 25/21


Für eine unmittelbare Versorgungszusage darf eine Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz gebildet werden, wenn deren Leistungsspektrum dem einer fondsgebundenen Versicherung ohne Garantieleistung entspricht. Allerdings wirft der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH)  für Firmen, die bereits unmittelbare Versorgungszusagen ohne garantiert zugesagte Leistung eingerichtet haben oder dies planen, noch einige Fragen auf.

Rückstellungen für eine unmittelbare Versorgungszusage ohne Garantie ...
Eine GmbH erteilte ihren Arbeitnehmern in den Jahren 2009 bis 2012 unmittelbare Versorgungszusagen. Dabei entschied der Arbeitgeber jährlich über den Aufwand, den er für diese Zusagen eingehen wollte. Auch die Arbeitnehmer konnten jährlich per Entgeltumwandlung das Versorgungswerk finanzieren. Der vom Arbeitgeber bzw. den Arbeitnehmern getriebene Aufwand diente zur Finanzierung von fondsgebundenen Versicherungen, nach deren Leistungen sich die zugesagten Versorgungsleistungen richteten. Die betreffenden Rückdeckungsversicherungen wurden an die Arbeitnehmer verpfändet. Dabei sahen die entsprechenden Versicherungen keinerlei Garantieleistungen vor. Für den Versorgungsfall wurde eine Leistung in Höhe des dann aus der Versicherung freiwerdenden Wertes zugesagt. (Soweit die Versorgungsleistung als lebenslange Leistung zu erbringen war, wurde der betreffende Wert mit einem geeigneten Faktor verrentet.) Die im Versorgungsfall zu zahlende Leistung konnte also – da im vorliegenden Fall keine Garantiefonds gewählt wurden – gegebenenfalls 0 Euro betragen. Für die durch diese unmittelbaren Versorgungszusagen eingegangenen Verpflichtungen bildete die Firma in der Steuerbilanz Pensionsrückstellungen. Als Höhe dieser Rückstellungen setzte sie die Aktivwertsumme der entsprechenden Rückdeckungsversicherungen an, die dem Arbeitgeber vom Versicherer zu dem jeweiligen Bilanzstichtag mitgeteilt worden war.

...wollte die Finanzverwaltung in der Ertragsteuerbilanz nicht erkennen
Die Finanzverwaltung wollte die Bildung einer Pensionsrückstellung für eine derartige Form der betrieblichen Altersversorgung nicht anerkennen. Nach ihrer Auffassung bestand der Höhe nach kein Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen, nachdem die gewählten Fonds keine Garantie beinhalteten. Einen solchen Rechtsanspruch mache § 6a Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) aber zur Voraussetzung für eine Rückstellungsbildung. Zudem falle die betreffende Versorgung nicht unter den Regelungsbereich des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Denn bei unmittelbaren Versorgungszusagen fordere das BetrAVG stets die Zusage einer echten Leistung. Darüber hinaus lag nach Ansicht der Finanzverwaltung ein schädlicher Vorbehalt nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG vor, weil die zugesagten Leistungen bei ungünstiger Entwicklung des Fonds, der den Rückdeckungsversicherungen hinterlegt war, gemindert oder ganz entzogen werden konnten. Es handele sich bei dem gewählten Konzept nicht um eine Altersversorgung im eigentlichen Sinne, sondern um eine reine Vermögensanlage. Insoweit werde auch kein Versorgungszweck erreicht.

Der BFH hingegen fordert die Bildung von Rückstellungen...
Wie schon die Vorinstanz wollte sich auch der BFH der Meinung der Finanzverwaltung nicht anschließen. Dem Grunde nach sei für entsprechende Versorgungszusagen die Bildung einer Pensionsrückstellung mit steuerlicher Wirkung möglich. Nach Ansicht des BFH bestand für die Versorgungsberechtigten ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Versorgungsleistungen, und zwar in Höhe des jeweiligen Wertes des Fonds. Die aufschiebende Bedingung hinsichtlich des Versorgungsumfangs, also die Abhängigkeit vom Fondswert bei Eintritt des Versorgungsfalls, führe nicht zu einer reinen Beitragszusage. Für das Vorliegen eines Versorgungszwecks im Sinne des § 6a EStG sei nicht erforderlich, dass die Höhe der in Aussicht gestellten Versorgung von vorneherein feststünde. Im Übrigen sei § 6a EStG auch nicht zu entnehmen, dass eine Rückstellungsbildung nur dann zulässig sei, wenn es sich bei der betreffenden Versorgungszusage um eine Zusage im Sinne des BetrAVG handele. Der BFH trat auch der Auffassung entgegen, dass bei einer Orientierung an dem Wert eines Fonds ein steuerschädlicher Vorbehalt vorläge. Denn die Bemessungsgrundlage für die zugesagte Leistung sei klar definiert und könne nicht einseitig geändert werden. Eine solche Orientierung sei zudem auch nicht mit einer steuerschädlichen Abhängigkeit von gewinnabhängigen Bezügen vergleichbar.

...und zwar in Höhe des Teilwertes bzw. Barwertes des Stichtags-Vermögens
Allerdings widersprach der BFH – wie schon das vorinstanzliche Finanzgericht – der Auffassung der Firma, wonach die Pensionsrückstellungen für die betreffenden Verpflichtungen in Höhe der Aktivwerte der vorhandenen Rückdeckungsversicherungen zu bilden seien. Dies entspräche nicht den Rechenregeln des § 6a EStG für die Bildung von Pensionsrückstellungen. Die Pensionsrückstellungen für die arbeitgeberfinanzierte Versorgung seien vielmehr nach dem üblichen Teilwertverfahren zu bemessen. Im Falle einer Entgeltumwandlung sei der Barwert der am Bilanzstichtag erdienten Leistung als Pensionsrückstellung maßgeblich. Für die am Bilanzstichtag erdiente beziehungsweise zugesagte Leistung ist dabei nach Auffassung des BFH auf den Wert des Fonds am Bilanzstichtag und damit auf die am Stichtag aktuellen Werte der Fondsanteile abzustellen. Dass sich dieser Wert im Anschluss erhöhen oder vermindern kann – gegebenenfalls sogar auf 0 Euro – ist nach Auffassung des BFH insoweit nicht zu berücksichtigen. Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG seien allein die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich.

Fazit:

Mit der derzeitigen Gesetzeslage lassen sich die von der Finanzverwaltung vorgebrachten Bedenken gegen eine Rückstellungsbildung bei Versorgungszusagen ohne Garantie nicht schlüssig begründen. Insoweit ist die Entscheidung des BFH nachvollziehbar. Ob indes die steuerliche Förderung derartiger Zusagen vom Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt war und von Bestand sein wird, dürfte noch nicht endgültig entschieden sein. Jedenfalls ist das Urteil bislang nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Insofern kann noch darüber spekuliert werden, ob die Finanzverwaltung womöglich einen Nichtanwendungserlass veröffentlichen wird oder eine Änderung der derzeitigen Fassung des § 6a EStG initiieren könnte. 

i Was ist zu tun?

  • Firmen, die bereits unmittelbare Versorgungszusagen ohne garantiert zugesagte Leistung eingerichtet haben und hierfür bislang keine Pensionsrückstellungen gebildet haben, stehen nun vor der Frage, ob sie ihre Vorgehensweise künftig ändern sollten. Dies dürfte nicht nur vor dem Hintergrund der ungewissen Reaktion der Finanzverwaltung auf das BFH-Urteil nicht einfach einzuschätzen sein. Man wird auch prüfen müssen, ob der jeweilige Fall auf den Sachverhalt übertragbar ist, den der BFH hier zu beurteilen hatte. Hierfür sollten sich entsprechende Firmen mit ihrem versicherungsmathematischen Gutachter abstimmen.
  • Auch sollte gut abwägen, wer derzeit plant, entsprechende Versorgungswerke neu einzuführen. Abgesehen von den steuerlichen Unwägbarkeiten ist in diesem Zusammenhang auch auf folgenden Umstand hinzuweisen: Da entsprechende Modelle nicht den Arbeitnehmerschutz-Regelungen des BetrAVG unterliegen, dürften sie – ohne ergänzende Maßnahmen – nicht für jede Gruppe von Arbeitnehmern sachgerecht sein. Zudem stellt sich im Einzelfall wohl die Frage, ob solche Versorgungswerke aus betriebswirtschaftlicher Sicht für einen Arbeitgeber überhaupt attraktiv sind, wenn davon auszugehen ist, dass eine Bildung von Pensionsrückstellungen nur in geringem Umfang zugelassen wird.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern & VTM, Longial