26. Mai 2021

Betriebsrente aus dem Ausland: Sozialabgaben und Steuern sind auch hier fällig

BSG-Urteil vom 23.2.2021 – B 12 KR 32/19 R und FG Baden-Württemberg-Urteil vom 17.2.2020 – 3 K 2073/20: Wer einen Teil seines Arbeitslebens als Grenzgänger im Ausland verbracht und dort eine Betriebsrente erworben hat, muss damit rechnen, dass die Rente in Deutschland verbeitragt und versteuert wird.


Der Fall
Der in Deutschland ansässige Kläger war als Grenzgänger Bediensteter im öffentlichen Dienst des Kantons Basel-Stadt. Er bezog unter anderem eine Altersrente der Pensionskasse Basel-Stadt, einer Vorsorgeeinrichtung der 2. Säule der Schweizer Altersvorsorge. Auf diese wurden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt. Strittig war hier, ob die gesamten Leistungen der schweizerischen Pensionskasse auch der Beitragspflicht unterliegen. Die Schweizer Abzugsteuer wurde in Höhe von 4,5 Prozent einbehalten. Hier war die Frage strittig, inwieweit diese Abzugsteuer bei der deutschen Versteuerung anrechenbar ist.

Wie funktioniert das Vorsorgesystem der Schweiz?
Das Vorsorgesystem der Schweiz setzt sich, ähnlich dem deutschen, aus 3 Säulen zusammen: der staatlichen, der beruflichen sowie der privaten Vorsorge. Die 1. Säule, die AHV (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung), dient der Existenzsicherung. Mit der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge (BVG), soll im Alter der gewohnte Lebensstandard aufrechterhalten werden. Sowohl die 1. als auch die 2. Säule sind obligatorisch. Das sogenannte Obligatorium ist die Mindestsicherung in den jeweiligen Säulen, also die gesetzlich vorgeschriebene minimale Alterssicherung. Diese ergibt sich aus dem zu zahlenden Beitragssatz auf das Erwerbseinkommen. Darüber hinaus gibt es das sogenannte Über-Obligatorium, also freiwillige Beiträge, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen. Mit der freiwilligen 3. Säule lässt sich eine private Vorsorge aufbauen.

Auffassung des Klägers zur Verbeitragung und Versteuerung 
Die Altersrente des Klägers entfiel sowohl auf das Obligatorium nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge als auch auf das Über-Obligatorium. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass diese Rente allein auf Basis des Arbeitsvertrages gewährt wurde. Zudem waren die Beiträge auch steuerrechtlich nicht begünstigt. Insoweit handle es sich um eine freiwillige private Altersvorsorge, auf die keine Verbeitragung zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen sei. Bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts ist eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Eine Vergleichbarkeit von ausländischen Alterseinkünften mit inländischen Alterseinkünften ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht.

Die Versteuerung der Versorgungsleistungen in Deutschland ist abhängig davon, ob es sich um Renten oder Kapitalleistungen handelt, und ob diese auf Beiträgen des Obligatoriums oder des Über-Obligatoriums beruhen. Die steuerlichen Details für die Beitragszahlungen sowie die Versorgungsleistungen regelt das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 27.07.2016 (IV C 5 – S 2333/13/10003). Versorgungsleistungen, die auf Beiträgen des Über-Obligatoriums aus der 2. Säule beruhen, stellen in jedem Fall steuerpflichtige Einkünfte dar. Der Kläger vertrat hier die Auffassung, dass eine Anrechnung der Schweizer Abzugssteuer vollumfänglich erfolgen müsse.

Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) 
Die Leistungen der schweizerischen Pensionskasse sind in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auch insoweit beitragspflichtig, als sie auf überobligatorischen Anteilen beruhen. Sie sind entweder einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer bAV in Deutschland vergleichbar.

Vergleichbarkeit der ausländischen mit der inländischen Leistung gegeben
Das BSG hat betont, dass die Vergleichbarkeit der ausländischen mit der inländischen Sozialleistung in ihrem Kerngehalt vorliegend gegeben ist. Insbesondere für Leistungsanteile im Rahmen einer vom Arbeitgeber organisierten Altersversorgung, die nicht auf einer gesetzlichen, sondern arbeits- oder tarifvertraglichen oder ähnlichen Verpflichtung zur Einbeziehung in die Altersvorsorge beruhen, liegt hier ein Vergleich mit einer Rente der bAV nahe. Voraussetzung hierfür ist, dass sie sich sowohl organisatorisch/institutionell als auch rechnerisch hinreichend deutlich von den nach gesetzlichen Vorschriften verpflichtenden Leistungsanteilen abgrenzen lassen. Darüber hinaus kommt es darauf an, dass die Leistungen dem Zweck der Altersvorsorge dienen und ein hinreichender Zusammenhang zur früheren Berufstätigkeit besteht. Das war hier der Fall. Der frühere Arbeitgeber des Klägers war organisatorisch und finanziell sowohl an der Einrichtung und Verwaltung der Pensionskasse beteiligt als auch an der Durchführung und Umsetzung der Altersversorgungsleistungen. 

Steuerrechtliche Entscheidung des FG Baden-Württemberg 
Das FG Baden-Württemberg entschied, dass die Schweizer Abzugsteuer auf eine Altersrente einer öffentlich-rechtlichen Schweizer Pensionskasse nicht vollumfänglich anzurechnen ist. Vielmehr ist eine Anrechnung der Schweizer Abzugsteuer in Höhe von 4,5 Prozent auf die deutsche Einkommensteuer auf 4,5 Prozent des Ertragsanteils der überobligatorischen Altersrente begrenzt. Denn bei Vergütungen von Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule der Schweizer Altersvorsorge, die (gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a Doppelbuchst bb Einkommensteuergesetz (EStG)) lediglich mit dem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen, geht nur der Ertragsanteil in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein. Dies hat zur Folge, dass auch nur der Teil der Schweizer Abzugssteuer anrechenbar ist, der auf den Ertragsanteil entfällt.

Fazit

Das BSG folgt mit diesem Urteil seiner Linie der Verbeitragung auch von ausländischen Leistungen, soweit sie während des Arbeitsverhältnisses erworben wurden und mit dem deutschen Altersversorgungssystem vergleichbar sind.

In der Schweiz werden Altersrenten der 2. Säule voll nachgelagert besteuert. In Deutschland hängt es vom Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung, aber auch von der steuerlichen Behandlung der Beiträge ab, ob voll nachgelagert oder „nur“ der sogenannte Ertragsanteil besteuert wird. Ohne vollständige Harmonisierung können Doppelbesteuerungsabkommen lediglich sicherstellen, dass die betroffenen Einkünfte nur einmal besteuert werden, aber nicht, dass sie gleich besteuert werden.

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial
(Expertin für alle steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere zu Auswirkungen bei Betriebsübergängen und Unternehmensverkäufen, der Versorgung von GGF, dem Geltungsbereich des BetrAVG).