26. Mai 2021

Beitragsgarantien im Niedrigzinsumfeld: DAV legt Ergebnisbericht vor

Viele Arbeitgeber gestalten ihre bAV als sogenannte Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) über einen versicherungsförmigen Versorgungsträger. Im Umfeld sinkender Zinsen sind die damit verbundenen Garantien kaum noch finanzierbar.


Beitragszusage mit Mindestleistung
Eine BZML liegt nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vor, wenn ein Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und das sich aus diesen Beiträgen und den darauf erzielten Erträgen ergebende Versorgungskapital für Leistungen der bAV zu verwenden. Dabei ist mindestens eine Leistung zu gewähren, die der Summe der zugesagten Beiträge entspricht, soweit diese nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht werden (sogenannte Mindestleistung).
Bei Arbeitgebern erfreut sich die BZML großer Beliebtheit. Sie ist einfach zu administrieren und die mit der Zusage verbundenen Risiken sind durch die versicherungsförmige Finanzierung in der Regel vollständig gedeckt. 

Beitragserhalt ist nicht mehr finanzierbar
Doch nun droht der BZML das Aus, denn in Zeiten niedriger Zinsen ist die gesetzlich vorgeschriebene Mindestleistung schlicht nicht mehr finanzierbar. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV) in ihrem am 26.2.2021 vorgelegten Ergebnisbericht „Garantien in der bAV im Niedrigzinsumfeld“.

Die Versicherungsmathematiker rechnen vor: Unterstellt man marktübliche Kostenquoten, so kann bereits beim heute geltenden Höchstrechnungszins von 0,90 Prozent für Neuverträge in der Lebensversicherung die Mindestleistung nur noch dargestellt werden, wenn die Vertragslaufzeit mindestens 15 Jahre beträgt. Bei einem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent würde die notwendige Mindestvertragslaufzeit rein rechnerisch auf über 100 Jahre (!) steigen. 

DAV appelliert an den Gesetzgeber
Brisanz erhält das Thema dadurch, dass das Bundesfinanzministerium angekündigt hat, den Höchstrechnungszins für Neuverträge in der Lebensversicherung zum 1.1.2022 auf eben jene 0,25 Prozent zu senken. Gleichzeitig sind jedoch auf der politischen Ebene keine Aktivitäten erkennbar, das Thema der Garantien in der kapitalgedeckten Altersversorgung zu reformieren. „Wir appellieren eindringlich an die politischen Entscheidungsträger, zusammen mit der Senkung des Höchstrechnungszinses auch den bislang gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt in der Riesterrente und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in der betrieblichen Altersversorgung zu überarbeiten“, betont Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der DAV. Anderenfalls sei zu erwarten, dass sich die meisten Anbieter aus diesen Geschäftsfeldern zurückziehen.
Die DAV schlägt vor, für die BZML ein neues Niveau für die Mindestleistung deutlich unterhalb des bisherigen Beitragserhalts zu definieren. Nur dann können nennenswerte Teile des Beitrags in renditestärkere Anlageklassen investiert werden. „Bei entsprechender Steuerung sind die Kapitalanlagerisiken in der bAV mit ihren gemischten Kollektiven und jahrzehntelangen Abwicklungszeiträumen gut steuerbar. Der partielle Verzicht auf teure Garantien ist angesichts der aktuellen Null- und Negativzinsen die einzige Chance auf einen Werterhalt und einen realen Zugewinn“, so Dr. Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen e.V. (IVS), eines Zweigvereins der DAV.

Beitragserhalt führt zu realem Wertverlust
„Die historisch niedrigen Zinsen treiben den Finanzbedarf für die bestehenden Altzusagen mit ihren hohen Leistungsversprechen auf bislang nicht geahnte Höchststände. Dies führt zu einer erheblichen Mittelverlagerung zulasten der jüngeren Generationen“, führt Dr. Lucius weiter aus. Alle Beteiligten müssten erkennen, dass dieser Konflikt jetzt und nicht erst in 10 bis 15 Jahren entschärft werden dürfe. 
„Aus den Beiträgen muss ein Maximum an Leistung herausgeholt werden. Mit der Garantie des Beitragserhalts wird das nicht gelingen; denn dann muss aufgrund der Niedrigzinsen der gesamte Beitrag sicher und ohne nennenswertes Überschusspotenzial angelegt werden, sodass am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich nur eine Leistung in Höhe der eingezahlten Beiträge herauskommt.“ Durch die Geldentwertung liegt diese Leistung betragsmäßig aber deutlich unter dem Wert der eingezahlten Beiträge. „Insofern verhindert der Beitragserhalt in Zeiten wie diesen den Werterhalt der eingezahlten Beiträge“, resümiert Dr. Lucius.

Fazit

Wenn die Politik nicht gegensteuert, steht die BZML ab 2022 vor dem Aus. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidungsträger die Wichtigkeit des Themas erkennen und – neben Corona und trotz des bevorstehenden Wahlkampfes – handeln. Anderenfalls droht der bAV in Deutschland schwerer Schaden.

Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS, Beratung & Prozesse, Longial
(Experte für die Bilanzierung von Pensions- und Personalverpflichtungen nach deutschem und internationalem Handelsrecht).