10. Dezember 2025

bAV bewusst gestalten – Auswirkungen einer Entgeltumwandlung auf Krankengeld

BSG-Urteil vom 12.12.2024 - B 3 KR 2/23 R


Die betriebliche Altersversorgung (bAV) bietet nicht nur steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorteile, sondern beeinflusst auch andere Sozialleistungen wie beispielsweise das Krankengeld. Ihre Wechselwirkungen werden oft erst im Leistungsfall deutlich. Das aktuelle BSG-Urteil schafft rechtliche Klarheit und bietet neue Orientierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wer die bAV nutzt, sollte die aktuelle Rechtslage und ihre Auswirkungen auf die soziale Absicherung im Blick haben. 

Der Fall: 
Eine Arbeitnehmerin wandelte im Jahr 2016 jährlich 2.228,70 Euro ihres Gehalts im Wege der Entgeltumwandlung (EU) zugunsten einer Direktversicherung um. In diesem Jahr konnten durch EU gesetzlich 2.976,00 Euro sozialversicherungsfrei in die Direktversicherung eingebracht werden. Zudem erhielt die Arbeitnehmerin in dem Jahr vor ihrer Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitgeber eine Einmalzahlung und eine Überstundenvergütung. Nach längerer Krankheit berechnete die Krankenkasse das Krankengeld allein auf Basis ihres beitragspflichtigen Gehalts. Die Arbeitnehmerin forderte, dass die umgewandelten Entgeltbestandteile, die Einmalzahlung und die Überstundenvergütung ebenfalls berücksichtigt werden.  

Die Entscheidung:  
Die Gerichte – einschließlich des Bundessozialgerichts (BSG) – wiesen ihre Klage ab und bestätigten die Berechnungspraxis der Krankenkasse. 

Wie bemisst sich das Krankengeld konkret? 
Nach Auffassung des BSG ist für die Berechnung des Krankengeldes ausschließlich das regelmäßige, beitragspflichtige Arbeitsentgelt des letzten vollständig abgerechneten Monats vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit relevant (§ 47 Abs. 1 SGB V). Um das tägliche sogenannte Regelentgelt zu ermitteln, wird das sozialversicherungspflichtige Gehalt durch 30 geteilt. Von diesem Regelentgelt werden Steuern und Sozialabgaben abgezogen, um das Nettoarbeitsentgelt zu bestimmen. Das Krankengeld beträgt dann 70 Prozent des ermittelten Regelentgelts, darf jedoch nicht höher sein als 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts.  

Welche Auswirkungen hat die EU für die Bemessung des Krankengeldes? 
Maßgeblich ist dafür die sozialversicherungsrechtliche Definition des Arbeitsentgelts nach § 14 SGB IV. Zu diesem Arbeitsentgelt gehören grundsätzlich auch Gehaltsanteile, die durch EU für eine bAV verwendet werden (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Dies gilt allerdings nur insoweit, als sie 4 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG) übersteigen und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Entscheidend ist, dass nur jene Arbeitsentgeltbestandteile berücksichtigt werden, für die auch tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. 

Im zugrunde liegenden Fall blieb der von der Klägerin im Rahmen der EU für die bAV verwendete Jahresbetrag von 2.228,70 Euro unberücksichtigt, da er im Jahr 2016 unterhalb der gesetzlichen Grenze von 2.976,00 Euro lag und hierfür keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Ebenso wurde weder die Einmalzahlung noch die Überstundenvergütung in die Berechnung einbezogen, da sie im maßgeblichen Zeitraum nicht regelmäßig gezahlt wurden. 

In der Entscheidung hebt das BSG das Beitragsäquivalenzprinzip hervor. Das heißt konkret: Ein Leistungsanspruch im Krankheitsfall besteht nur für jene Einkommensanteile, die der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Beitragsfreie – beispielsweise umgewandelte – Gehaltsbestandteile bleiben bei der Berechnung des Krankengelds damit unberücksichtigt. 

Fazit: 

Wer steuer- und beitragsfreie Entgeltbestandteile im Rahmen der bAV nutzt, muss ein niedrigeres Krankengeld in Kauf nehmen. Das entspricht der Kernfunktion des Krankengelds als Entgeltersatz-leistung zur Lebensunterhaltssicherung im Leistungsfall. Die Entscheidung zeigt, dass eine EU nicht nur die Höhe des Krankengeldes, sondern genauso auch die Höhe anderer Sozialleistungen wie dem Arbeitslosengeld, Elterngeld oder Übergangsgeld beeinflussen kann. Arbeitgeber und Beschäftigte sollten diese Wechselwirkungen im Blick behalten.  

Svenja Nutsch, Justiziarin Recht |Steuer, Longial