16. November 2016

Auslagerung und Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen als Konsequenz aus der Niedrigzinsphase: HGB-Zinseffekt entgegenwirken

Der zweite Teil dieser Serie zur Zinsschmelze – also der Umstand, dass der für die handelsrechtliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen anzusetzende Zinssatz seit Jahren stetig sinkt – beschäftigt sich mit der Frage, wie Unternehmen diesem Effekt entgegenwirken können.


Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis

Der Aufwand für Altersversorgung eines Jahres besteht in der Regel aus drei Komponenten: dem Betriebsergebnis, zu dem insbesondere der Dienstzeitaufwand gehört, dem Zinsaufwand und dem Zinsänderungsaufwand.

  • Der Dienstzeitaufwand spiegelt den in diesem Geschäftsjahr vom Mitarbeiter erdienten Teil seiner Betriebsrente wieder. Bei einer Pensionszusage, die zum Beispiel 5 Euro monatliche Rente je Dienstjahr zusagt, ist er der Gegenwert dieser zusätzlichen 5 Euro, die der Mitarbeiter im Geschäftsjahr erdient hat.
  • Der Zinsaufwand ergibt sich aus der Rückstellung zu Beginn des Geschäftsjahres und dem anzusetzenden Zinssatz zu Beginn des Jahres.
  • Der Zinsänderungsaufwand betrachtet den Unterschied zwischen dem zunächst angenommenen Zinssatz zum Jahresbeginn sowie dem tatsächlich angesetzten Zins zum Ende des Geschäftsjahres.

Alle drei Bestandteile des Altersversorgungsaufwandes sind Aufwandspositionen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zu berücksichtigen sind. Der Dienstzeitaufwand findet sich im Betriebsergebnis wieder, der Zinsaufwand im Finanzergebnis. Für den Zinsänderungsaufwand hat das Unternehmen ein Wahlrecht, ob dieser im Betriebs- oder Finanzergebnis ausgewiesen wird. Zins- und Zinsänderungsaufwand hängen also unmittelbar mit dem anzusetzenden Zinssatz zusammen. Wie im Weitblick schon häufig berichtet, sinkt der für die handelsrechtliche Bewertung anzusetzende Zinssatz seit Jahren kontinuierlich. Ein Ende des Sinkfluges ist nicht abzusehen. Den aktuellen Stand sowie den prognostizierten Verlauf der Rechnungszinssätze finden Sie hier. Zins- und insbesondere der Zinsänderungsaufwand haben somit einen seit Jahren stetig größer werdenden Effekt auf das Geschäftsjahresergebnis der Unternehmen. Immer häufiger stellen Unternehmen daher die Frage, wie auf die Folgen reagiert werden kann.

Möglichkeiten

Die schlechte Nachricht vorweg: Die erteilten Pensionsverpflichtungen bleiben bestehen. Tiefgreifende Einschnitte in die Höhe der Versorgungsleistungen sind, wenn überhaupt gewollt, arbeitsrechtlich schwer umzusetzen. Und auch auf der Zinsseite sind die beschriebenen Auswirkungen nicht ohne Weiteres abzuwehren.

Der vermeintlich einfachste Weg scheint zu sein, die Aktivseite der Bilanz zu stärken. Das heißt, zusätzliche Vermögenswerte zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen aufzubauen und mit einer Zweckbindung zu versehen. Bei entsprechender Ausgestaltung führt das handelsrechtlich dazu, dass Verpflichtung und Vermögen in der Bilanz, sowie Aufwands- und Ertragsposten in der GuV-Rechnung saldiert ausgewiesen werden. Entspricht also das Deckungsvermögen exakt der Pensionsrückstellung, dann ist der Saldo 0 – also keine Pensionsrückstellung. Im Anhang sind die Höhe der Pensionsverpflichtungen (Erfüllungsbetrag) und die Höhe des Deckungsvermögens jedoch auszuweisen.

Geringe Auswirkungen auf GuV
Scheinbar ist damit das Ziel erreicht – keine Pensionsrückstellungen in der Bilanz. Doch auf die Berücksichtigung in der GuV hat die Bildung von Zweckvermögen (Deckungsvermögen) keine oder nur geringe Auswirkungen. Denn zunächst sind die Pensionsverpflichtungen ganz normal zu bewerten: Die beschriebenen Aufwandspositionen sind zu ermitteln und entsprechend zu buchen. Erst nach Bewertung der Pensionsverpflichtungen wird das Deckungsvermögen für die Bilanz saldiert.
In der GuV wirkt sich zusätzliches Deckungsvermögen „nur“ dadurch ergebnisverbessernd aus, dass dem Zinsaufwand aus der Bewertung der Pensionsverpflichtungen nun ein (höherer) Zinsertrag aus der Kapitalanlage des Deckungsvermögens gegenübersteht. Aufwände und Erträge werden in der GuV zwar auch saldiert ausgewiesen, aber insbesondere im aktuellen Zinsumfeld werden die Erträge aus dem zusätzlichen Deckungsvermögen die stetig steigenden Aufwände bei weitem nicht kompensieren. Womit die GuV also weiterhin volatil und zinsabhängig bleibt.

Wechsel des Durchführungsweges
Um Zins- und Zinsänderungsaufwand in der GuV zu reduzieren, bleibt, wenn man nicht in die Zusage an sich eingreifen kann oder möchte, nur die Auslagerung der Pensionsverpflichtungen. Darunter ist zu verstehen, dass die Pensionszusage auf einen externen Versorgungsträger übertragen wird. Betriebsrentenrechtlich spricht man vom Wechsel des Durchführungsweges – von der (unmittelbaren) Direktzusage auf einen (mittelbaren) Versorgungsträger. Als mittelbare Versorgungsträger bieten sich grundsätzlich die Durchführungswege Unterstützungskasse und Pensionsfonds an. Die weiteren mittelbaren Durchführungswege Direktversicherung und Pensionskasse sind aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen in der Regel nicht geeignet. Die geeigneten Durchführungswege sind Inhalt des 3. Teils dieser Serie in Weitblick 1/2017. Dieser 2. Teil beschränkt sich auf den Effekt in der GuV.

Auswirkungen auf die GuV
Durch die Auslagerung (Übertragung der Versorgungsverpflichtung beispielsweise auf einen Pensionsfonds) muss für den ausgelagerten Teil der Pensionsverpflichtung grundsätzlich keine Pensionsrückstellung mehr gebildet werden. Das ergibt sich aus Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB), wonach für mittelbare Verpflichtungen keine Rückstellung gebildet werden muss.
Bereits gebildete Pensionsrückstellungen können ertragserhöhend aufgelöst werden, soweit der externe Durchführungsweg (im Beispiel der Pensionsfonds) die Verpflichtung übernimmt und dafür auch mit Finanzmitteln ausgestattet wird. Letzteres erfolgt in Form der Zahlung eines Beitrages zur Übernahme der Verpflichtungen, der nach HGB in voller Höhe Aufwand darstellt. Mittelbare Verpflichtungen sind nach Abs. 2 des erwähnten Art. 28 EGHGB im Anhang auszuweisen. Die Pensionsverpflichtung wird somit durch eine Auslagerung aus Bilanz und GuV in den Anhang verschoben. Für den ausgelagerten Teil ist zwar auch dort der Erfüllungsbetrag so zu ermitteln, wie er sich ergäbe, wenn die Verpflichtung direkt in der Bilanz auszuweisen wäre. Aber die Veränderungen von einem auf das andere Geschäftsjahr wirken sich eben nicht mehr in der GuV aus. Dies hat auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in seiner Ausarbeitung zur bilanziellen Behandlung von Pensionsverpflichtungen bestätigt und beschrieben (IDW RS HFA 30 vom 10.6.2011, RZ 46 - 49).

Auswirkungen der Auslagerung
Allerdings ist eine Auslagerung von Pensionsverpflichtungen immer mit einem hohen Abfluss von Liquidität verbunden. Grundsätzlich gilt das auch für die beschriebene Stärkung der Aktivseite, also den Aufbau von (zusätzlichem) Deckungsvermögen. Doch diese Lösung bedingt darüber hinaus auch zukünftig weiterhin einen GuV-relevanten Aufwand. Von ihm hängt nicht selten ab, ob das Geschäftsjahr erfolgreich, mit einem Gewinn, oder nicht erfolgreich, mit geringerem Gewinn beziehungsweise gar Verlust, abgeschlossen wird. Die Auslagerung durch Wechsel des Durchführungsweges stellt natürlich kein „Allheilmittel“ gegen die Folgen von Pensionsverpflichtungen dar. Sie ist eine Möglichkeit – und zeichnet sich dadurch aus, dass sie die GuV gegenüber den Zinsentwicklungen immunisiert. Einen Königsweg gibt es leider nicht.

Fazit:

Unternehmen, bei denen die GuV durch die vorhandenen Pensionsverpflichtungen stark belastet wird, sollten sich über Alternativen und Handlungsmöglichkeiten informieren. Die Analyse der bestehenden Pensionsverpflichtungen, eine Prognose zur künftigen Entwicklung der Rückstellungen und der verschiedenen Aufwandspositionen stellen dabei die Grundlage dar. Darauf aufbauend können verschiedene Handlungsmöglichkeiten untersucht und die Auswirkungen für das Unternehmen dargestellt werden.

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Michael Hoppstädter, Leiter Consulting, Longial