25. September 2025
Abweichende Regelung des Arbeitgeberzuschusses durch Tarifverträge: Auch in der Versicherungswirtschaft und bei einer Krankenkasse wirksam
Wie alles anfing
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17. August 2017 hat der Gesetzgeber erstmals eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers eingeführt: Falls er durch Beiträge des Arbeitnehmers im Zuge einer Entgeltumwandlung zu versicherungsförmigen Durchführungswegen Sozialversicherungsbeiträge einspart, muss er diese Einsparung weitergeben. Ab dem 1.1.2019 bestand die Verpflichtung zunächst für neu abzuschließende Entgeltumwandlungen und ab dem 1.1.2022 auch für „Altverträge“.
Seither war umstritten, ob auch in der Versicherungswirtschaft und in vielen anderen Tarifverträgen der Arbeitgeberzuschuss zu bezahlen ist oder ob es sich beim Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung in der Versicherungswirtschaft (TV-Entgeltumwandlung) und den anderen Tarifverträgen um eine abweichende Regelung im Sinne des § 19 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) handelt, welche die Zuschusspflicht abbedingt. Denn die Tarifverträge sehen überwiegend keinen expliziten Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung vor. Es wird aber in der Regel ein eigener arbeitgeberfinanzierter Beitrag in den betrieblichen Regelungen gewährt.
Kontinuität in der Rechtsprechung
Im Jahr 2024 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals geurteilt, dass von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG), einschließlich des Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss (§ 1a Abs. 1a BetrAVG) gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG, auch in Tarifverträgen abgewichen werden kann, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2018 geschlossen wurden (vgl. BAG vom 20.8.2025 – 3 AZR 286/23). Hinsichtlich der Begründung ist das BAG sehr ausführlich auf die Gesetzesmaterialien, insbesondere die Begründung des damaligen Gesetzentwurfes, eingegangen. Diese Rechtsprechung wurde dann im Frühjahr 2025 in einer weiteren Entscheidung bestätigt und fortentwickelt (vgl. BAG vom 11.3.2025 – 3 AZR 53/24). So hat das BAG auch betont, dass der gesetzliche Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss in Tarifverträgen auch komplett abbedungen werden kann, es also auf eine Kompensation nicht ankommt.
Versicherungswirtschaft und DAK-Gesundheit kein Sonderfall
In seinen neuesten Entscheidungen hat das BAG nun auch konkret über den TV-Entgeltumwandlung in der Versicherungswirtschaft und den Tarifvertrag der DAK-Gesundheit (vom 6. Dezember 2013 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 1-2022 vom 28. Februar 2022) geurteilt – und seine bisherige Rechtsprechung weiter fortgeführt. Auch diese Tarifverträge sind nach Auffassung des Senats so auszulegen, dass der gesetzlich in § 1a BetrAVG verankerte Arbeitgeberzuschuss abbedungen wurde.
Unerheblich war in diesem Zusammenhang, dass es die Zuschusspflicht bei der Entstehung des Tarifvertrages noch nicht gab und dass der jeweilige Tarifvertrag auch keinen eigenen Zuschuss vorsieht. Vielmehr reicht es aus, wenn die Tarifparteien in Kenntnis der Problematik „Sozialversicherungsersparnis“ eine eigene, detaillierte, tariflich vom Gesetz abweichende Regelung schaffen. Das war hier nach Ansicht des Gerichts der Fall. Es ergibt sich nach der Auslegung des Gerichts in beiden Fällen eine eigenständige Regelung des Tarifvertrages, der in zahlreichen Punkten von der gesetzlichen Regelung abweicht.
Tarifvertragliche vor gesetzlicher Regelung
Nach Ansicht des Senats spricht gerade die Detailliertheit der getroffenen Bestimmungen dagegen, dass daneben noch die gesetzliche Regelung Anwendung finden soll. Zudem werden im TV-Entgeltumwandlung ausdrücklich gesetzliche Regelungen aus dem BetrAVG genannt, die unberührt bleiben sollen. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn das BetrAVG insgesamt neben den tariflichen Bestimmungen ergänzend zur Anwendung hätte kommen sollen.
Schlussendlich dürfen Gerichte zwar Tarifverträge prüfen. Sie sind dabei jedoch auf eine Willkürkontrolle beschränkt. Das heißt: Sie dürfen nur eingreifen, wenn eine Regelung offensichtlich willkürlich ist oder gegen andere Grundrechte verstößt. Der Kernbereich der Tarifautonomie, nämlich die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, muss den Tarifparteien überlassen bleiben (Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz).
Fazit:
Aufgrund der in den letzten Jahren ergangenen Urteile herrscht jetzt Klarheit zur Geltung von verschiedenen Tarifverträgen und ihrer darin geregelten Abbedingung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses.
Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial