28. Januar 2015

bAV trotz Zinsschmelze: Handlungsoptionen für den Mittelstand

Lösungsansätze für eine spürbare Entlastung von Unternehmen

 

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase verharren viele Unternehmen in einer Art Schockstarre, wenn es um die bAV geht: Mehr als 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen sehen keinen Handlungsbedarf. Die Folge: Bestehende Versorgungssysteme bleiben unangetastet, neue werden gar nicht erst in Angriff genommen. Doch diese „Vogel-Strauß-Perspektive“ vergrößert die Probleme oft noch. Wie individuelle und regelmäßige Prüfungen der Versorgungssysteme die Unternehmen dagegen kurz- und langfristig entlasten können, erläutert Mark Walddörfer, Geschäftsführer des Pensionsberaters Longial.

Der Mittelstand leidet unter dem Niedrigzins. Aber selbst wenn die Marktzinsen bald wieder steigen sollten: Für mittelständische Unternehmen und ihre Pensionsverpflichtungen ist der sogenannte handelsrechtliche Rechnungszins (§ 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB)) ausschlaggebend. Dieser gesetzlich vorgeschriebene Zins ist ein Durchschnittswert aus den vergangenen sieben Jahren. Die derzeitigen Zinstiefstände entfalten daher eine nachhaltig negative Wirkung – auch wenn die Zinsen kurzfristig wieder ansteigen würden. Sind insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) im Hinblick auf ihre betrieblichen Versorgungssysteme damit also alle Handlungsoptionen verbaut? „Abwarten ist die schlechteste Lösung“, betont Mark Walddörfer. „Zwar gibt es keinen Königsweg – aber mit bestimmten, konkreten Maßnahmen können sowohl kurzfristige als auch langfristige Entlastungen erzielt werden.“

Handlungsoptionen „Neuordnung“: Spielfeld Zukunft
„Eine mögliche Handlungsoption ist die Neuordnung der Versorgungslandschaft eines Unternehmens“, erläutert der bAV-Experte: So können für neu eintretende Mitarbeiter andere Versorgungszusagen als für die bestehende Belegschaft gelten. Dies ist arbeitsrechtlich unproblematisch, trägt andererseits zu einer Mehrklassengesellschaft innerhalb des Unternehmens bei. Die Wahl externer Durchführungswege, wie etwa eine Direktversicherung, ist eine weitere Möglichkeit der Neuordnung, ebenso die Wahl risikoärmerer Zusageformen, beispielsweise wertpapiergebundene Zusagen. Die Wirkung dieser Neuordnung stellt sich zwar nur langfristig ein, ist aber umso günstiger, je früher sie in Angriff genommen wird. Eine Neuordnung empfiehlt sich für Unternehmen mit wachsender Mitarbeiterzahl, also mit hohem Neuzugang in die Versorgungssysteme. Betriebe mit reinen Leistungszusagen können ebenfalls von einer Neuordnung profitieren, da sie von den Zinseffekten besonders betroffen sind.

Handlungsoption Kapitaldeckung – „der Klassiker“
Unternehmen mit hoher Liquidität und eventuell einem hohen, jedoch nicht betriebsnotwendigen Vermögen und guter Ertragslage rät die Longial zur Kapitaldeckung. Bei diesem „Klassiker“ der Handlungsoptionen lagert das Unternehmen seine Verpflichtungen auf einen Pensionsfonds aus. Der Vorteil: Pensionsrückstellungen werden aus der Bilanz entfernt. Mögliche Folgen dieses Schritts können allerdings ein hoher Liquiditätsabfluss und ein Nachschussrisiko sein. Zum „klassischen“ Lösungsansatz gehört es auch, saldierungspflichtiges Deckungsvermögen zu schaffen. Das bedeutet unter anderem einen erhöhten Finanzierungs- und Administrationsaufwand.

Handlungsoption Bewertung: Stichwort Finanzierungsendalter
Die Annahme späterer Renteneintrittsalter kann hingegen bereits kurzfristige Entlastung bringen. Zwar bedeutet die im HGB festgelegte Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6), dass einmal getroffene Festlegungen beibehalten werden. Allerdings sind Abweichungen in begründeten Ausnahmefällen zulässig (§ 252 Abs. 2 HGB). Dazu zählen Änderungen in der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung, wie beispielsweise das Gesetz zur Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassung und das BAG-Urteil zur Anhebung der Regelaltersgrenze (Az. 3 AZR 11/10). Geeignet ist eine Verlängerung der Finanzierungsdauer für Unternehmen mit einem, im Verhältnis zu den Rentnern, hohen Anteil an Anwärtern. Sie empfiehlt sich auch für Firmen mit nach oben beschränkten Leistungen. Das bedeutet, die erwarteten Gesamt-Rentenzahlungen steigen durch das Hinausschieben des Renteneintrittsalters nur unterproportional an.
„Die verschiedenen Optionen zeigen, dass mit einer detaillierten und regelmäßigen Bewertung des Unternehmens Entlastungen möglich sind“, fasst der Longial-Experte zusammen.