01. September 2020

Umfassungszusage und Einstandspflicht des Arbeitgebers (BAG-Urteil vom 12.5.2020 – 3 AZR 158/19)

Zwei Fragen musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären: Umfasst eine Versorgungszusage auch Versorgungsleistungen, die auf Eigenbeiträgen des Klägers beruhen? Besteht eine Einstandspflicht der Arbeitgeberin bereits vor Eintritt des Versorgungsfalls? Die mögliche Folge: eine Erhöhung der Pensionskassenbeiträge.


Der Fall 
Die beklagte Arbeitgeberin sagte dem Kläger eine bAV in Form einer Pensionskassenversorgung zu. Dem für die Versorgungszusage des Klägers maßgeblichen Tarif DN lag bis zum 31.12.2016 ein kalkulatorischer Rechnungszins für die Rentenfaktoren in Höhe von 4 vom Hundert (v.H.) zugrunde. Die Mitgliederversammlung der Pensionskasse machte von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch und reduzierte unter anderem den Rechnungszins im Tarif DN. Die Umsetzung dieses Beschlusses führte dazu, dass die Rentenfaktoren im Tarif DN um 24,02 v.H. für Bausteine, die ab dem 1.1.2017 erworben wurden, abgesenkt wurden. Getragen wurden die Pensionskassenbeiträge jeweils zur Hälfte vom Kläger und von der Beklagten. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung des vollen Zusatzbeitrags in Höhe von 36,67 Euro monatlich zugunsten seines Beitragskontos bei der Pensionskasse. Dies soll die Verringerung der gesamten Leistungen der Pensionskasse im Versorgungsfall infolge der Herabsenkung des kalkulatorischen Rechnungszinses ausgleichen. Die beklagte Arbeitgeberin dagegen argumentiert, dass sie keine Umfassungszusage erteilt und auch nicht erklärt habe, für die Leistungen aus der Pensionskasse einstehen zu wollen.

Entscheidung des BAG
Die beklagte Arbeitgeberin hat dem Kläger eine Zusage auf Leistungen der bAV und keine reine Beitragszusage erteilt. Die Zusage der Beklagten umfasst daher auch die eigenfinanzierten Leistungen des Klägers. Ob die Arbeitgeberin erhöhte Leistungen zahlen muss, lässt sich jedoch erst im Versorgungsfall feststellen.

Umfassungszusage liegt vor
Nach der gesetzlichen Bestimmung (§1 Abs. 2 Nr. 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) mit Wirkung zum 1.7.2002 in §1 Abs. 2 BetrAVG eingefügt) liegt eine bAV nur dann vor, wenn die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus den vom Kläger eigenfinanzierten Beiträgen umfasst. Entscheidend ist, welche Zusagen der Arbeitgeber im Hinblick auf die Versorgungsleistungen gemacht hat.

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht, ob er eine entsprechende Umfassungszusage erteilt, die auch die auf den Arbeitnehmerbeiträgen beruhenden Leistungen betrifft und damit korrespondierend die gesetzliche Einstandspflicht entsteht, oder ob die Zusage diese Leistungen nicht umfassen soll. Eine solche Umfassungszusage kann sich dabei sowohl aus einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung des Arbeitgebers als auch durch Auslegung seiner Zusage oder stillschweigend – konkludent – aus den Umständen ergeben. 

Erhöhte Anforderungen an Umfassungszusage nur bei Zusagen vor dem 1.7.2002
Die Folge: Erteilt der Arbeitgeber bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen eine Zusage, die beitragsbezogene Leistungen einer Pensionskasse umfasst, welche der Arbeitnehmer finanziert, dann sind an die Annahme einer Einstandspflicht erhöhte Anforderungen zu stellen. Im vorliegenden Fall spricht für eine Umfassungszusage, dass die Zusage nach dem 1.7.2002, also nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung (§1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG), erfolgte und somit vor dem Hintergrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Für den Anspruch des Klägers auf bAV auf Grundlage von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag sollen die jeweils gültige Satzung und die jeweils gültigen Leistungsbedingungen der Pensionskasse maßgeblich sein. Zudem werden einheitliche Rentenbausteine aus den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen gebildet, die sodann die Grundlage für die Altersrente darstellen.  

Wann besteht für den Arbeitgeber eine Einstandspflicht?
Der eingeschaltete externe Versorgungsträger ist nur ein Instrument des Arbeitgebers, mit dem dieser sein im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis erteiltes Versorgungsversprechen erfüllt. Somit hat er, wenn der externe Versorgungsträger nicht leistet, dem Versorgungsberechtigten die Leistungen zu verschaffen, die er ihm zugesagt hat. Der Arbeitgeber bestimmt auch den Durchführungsweg, über den seine Versorgungszusage abgewickelt werden soll, und wählt innerhalb der mittelbaren Durchführungswege den Versorgungsträger aus. Welche Zusage er gegeben hat – und für die er auch einstehen muss – richtet sich nach den Vereinbarungen im Valutaverhältnis. Diese sind wiederum veränderbar. So kann der Arbeitgeber seine Zusage dadurch ausfüllen, dass er auf Regelungswerke wie Satzung und Tarifbedingungen des mittelbaren Versorgungsträgers dynamisch Bezug nimmt. Mit der dynamischen Verweisung auf die Satzung und die Leistungsbedingungen einer Pensionskasse legt der Arbeitgeber die für das arbeitsrechtliche Grundverhältnis maßgeblichen Versorgungsbedingungen fest. Für die Erfüllung der hieraus resultierenden Verpflichtungen hat er nach §1 Abs. 1 Satz3 BetrAVG einzustehen.

Drei-Stufen-Modell des BAG zu beachten
Das Gebrauchtmachen von einem in der dynamischen Verweisung liegenden Änderungsvorbehalts unterliegt allerdings einer Rechtskontrolle. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dürfen nicht verletzt werden. Der Arbeitgeber kann die Abänderungsmöglichkeit deshalb nicht davon abhängig machen, dass bei der Pensionskasse ein Grund für eine Herabsetzung der Leistungen vorliegt. 

Ob der Arbeitgeber bei Eintritt des Versorgungsfalls für Leistungen einzustehen hat, die sich nach der Satzung und den Tarifbedingungen nach der jeweiligen Höhe orientieren, die bei der Erteilung der Versorgungszusage galt, oder die nach den aufgrund der dynamischen Bezugnahme bei Eintritt des Versorgungsfalls gilt, richtet sich danach, ob es für die Änderungen hinreichende Gründe im Sinne des dreistufigen Prüfungsschemas (Drei-Stufen-Modell) des BAG gibt. Sind zum Zeitpunkt der Änderung solche Gründe vorhanden, richtet sich das Versorgungsversprechen nach den neuen geänderten Tarifbestimmungen. So wird ein Auseinanderfallen von zugesagten Leistungen und den von der Pensionskasse erbrachten Leistungen vermieden. Fehlen derartige Gründe für die Änderung, bleibt es bei der ursprünglichen Versorgungszusage. Der Arbeitgeber muss dann für die Differenz zwischen den von ihm zugesagten Versorgungsleistungen und den von der Pensionskasse erbrachten Versorgungsleistungen nach §1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstehen. Diese gesetzliche Verpflichtung besteht jedoch erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalls. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die Zusage zu erfüllen und sind Leistungen der bAV zu gewähren.

Fazit 

Das BAG hat nochmals klargestellt, dass erhöhte Anforderungen an eine Umfassungszusage nur für Zusagen vor dem 1.7.2002 bestehen. Ob Einstandspflichten bezüglich reduzierter Leistungen einer Pensionskasse bestehen, kann erst im Versorgungsfall festgestellt werden. Dabei ist dann auch das Drei-Stufen-Modell des BAG zu beachten.

Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial