15. November 2018

Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie und weitere Herausforderungen für Pensionskassen und Pensionsfonds

Die Richtlinie 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der bAV ist am 23.12.2016

im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 13.1.2019 erfolgen.

EbAV-II-RL: Was beinhaltet sie und für wen gilt sie?
Die EbAV-II-RL löst die EbAV-RL (Richtlinie 2003/41, oft als Pensionsfonds-RL bezeichnet) ab, die seit 2003 aufsichtsrechtliche Mindeststandards für die Tätigkeit und die „Betriebsbedingungen“ von EbAV gesetzt hatte. Während die Solvenzanforderungen im Vergleich zur Vorgänger-RL gleich geblieben sind, wurden in EbAV-II neue Governance- und Informationspflichten eingeführt. EbAV sind demnach unter anderem verpflichtet, regelmäßig eine eigene Risikobeurteilung vorzunehmen und zu dokumentieren.

Zudem wurden die Regeln zur grenzüberschreitenden Tätigkeit von EbAV überarbeitet und zur grenzüberschreitenden Bestandsübertragung eingeführt. In Deutschland fallen Pensionskassen und Pensionsfonds unter die EbAV-RL und künftig unter die EbAV-II-RL. Auch EbAV-II setzt aufsichtsrechtliche Mindeststandards, jedoch in größerem Umfang als die Vorgängerrichtlinie.

Aktueller Stand
Seit Juli 2018 liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vor und seit dem 7.9.2018 ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Anfang November fand eine abschließende Beratung im Finanzausschuss statt, sodass Ende November 2018 die 2./3. Lesung im Bundestag erfolgen kann und schließlich Mitte Dezember 2018 die 2. Lesung im Bundesrat. Somit kann die Umsetzung in nationales Recht fristgemäß erfolgen.

Durch die Neuregelungen soll das Aufsichtssystem für EbAV nachhaltig weiterentwickelt werden. Die EbAV müssen sich zukünftig noch intensiver mit den Risiken auseinandersetzen, denen sie ausgesetzt sind oder sein können, und wie sie damit umgehen werden.

Herzstück sind die erweiterten Vorschriften zur Geschäftsorganisation. Pensionskassen und Pensionsfonds müssen zukünftig wie Versicherungsunternehmen über sogenannte Schlüsselfunktionen verfügen. Dazu gehören ein Risikomanagement und eine interne Revision, sowie einen internen oder externen Verantwortlichen für versicherungsmathematische Fragestellungen, wie zum Beispiel Ermittlung der versicherungstechnischen Rückstellungen. Die Aufgaben der versicherungsmathematischen Funktion überschneiden sich mit den Aufgaben des nach deutschem Recht schon existierenden Verantwortlichen Aktuars. In der Regel wird dieser zukünftig auch die Aufgaben der versicherungsmathematischen Funktion abdecken.

Umfassende Risikobeurteilung
Dem Risikomanagement obliegt dabei die umfassende eigene Risikobeurteilung. Das heißt, sie muss die Wirksamkeit des Risikomanagementsystems, den gesamten Finanzierungsbedarf und die Güte der Mechanismen zum Schutz der Anwartschaften und Ansprüche gegenüber den Versorgungsberechtigten beurteilen. Die Richtlinie selbst verlangt alle drei Jahre eine umfassende Beurteilung. Der Gesetzesentwurf gibt keine kürzeren Abstände vor, aber die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kann im Einzelfall kürzere Abstände verlangen. Wichtig ist hierbei auch, dass sich die Unternehmen in einer dafür proportionalen Weise auseinandersetzen, denen sie und ihr Versorgungssystem ausgesetzt sein können. Im Rahmen dieses Proportionalitätsgrundsatzes sind Größenordnung, Art, Umfang und Komplexität der Tätigkeit entsprechend zu berücksichtigen. Die interne Revisionsfunktion darf dabei keine andere Funktion übernehmen. Bei den Anforderungen an die finanzielle Ausstattung ergeben sich keine grundsätzlichen Neuerungen.

Umfangreiche Informationspflichten
Gegenüber Versorgungsanwärtern und -empfängern müssen zukünftig umfangreiche Informationspflichten erbracht werden. Deren Umfang erstreckt sich über 6 Paragraphen und unterscheidet zwischen Informationen, die vor dem Beitritt, bei Beginn, während der Anwartschaftsphase und schließlich gegenüber Leistungsempfängern erteilt werden müssen. Dies betrifft zum einen allgemeine Informationen zum Altersversorgungssystem (zum Beispiel Name, Sitz, Rechtsform des Versorgungsträgers, allgemeine Vertragsbedingungen, allgemeine Angaben über die steuerlichen Auswirkungen etc.), aber beispielsweise auch die Entwicklung der Leistungshöhe.

Bei der Bereitstellung klarer und relevanter Informationen ist es wichtig, dass neben den Versorgungsanwärtern und Leistungsempfängern gegebenenfalls auch „potenzielle Versorgungsanwärter“ ausführlich informiert werden. Für die Direktversicherung kommt es zudem darauf an, dass keine doppelten oder sogar widersprüchlichen Informationspflichten aus den Regelungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) entstehen.

Europäische Ziele
Ferner kommen noch durch die sogenannte EZB-Verordnung vom 26.1.2018 über die statistischen Berichtspflichten der Altersvorsorgeeinrichtungen (EZB/2018/2) weitere Pflichten auf die EbAV zu. Mit der Verordnung sollen die rechtlichen Voraussetzungen für eine europaweit harmonisierte Statistik über Pensionseinrichtungen geschaffen werden. Eine solche Datengrundlage beansprucht die EZB für sich, um der  Wahrnehmung ihrer makroökonomischen Aufgaben, insbesondere ihrer Verantwortung für die Finanzmarktstabilität, nachkommen zu können.

Zudem hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) Ende April 2018 den Beschluss über die regelmäßigen EIOPA-Auskunftsersuchen an die nationalen Aufsichtsbehörden über die Bereitstellung von Informationen zur betrieblichen Altersversorgung veröffentlicht. Diesem Beschluss ging kein Gesetzgebungsverfahren, sondern allein eine öffentliche Konsultation im Sommer 2017 voraus.

Damit kommen auf EbAV zusätzlich zu den bereits bestehenden nationalen Meldepflichten und den künftigen EZB-Berichtspflichten sehr detaillierte EIOPA-Meldeanforderungen zu (unter anderem Look-through-Ansatz für Fondsinvestitionen, umfangreiche Daten zu jeder einzelnen Direktanlage, Informationen über Veränderungen der versicherungstechnischen Verpflichtungen, eine Aufschlüsselung der Kapitalanlageerträge, der Verwaltungskosten und Angaben zu „sponsor´s financials“).

Die künftigen Berichtspflichten werden zu einem erheblichen Mehraufwand der EbAV und gegebenenfalls zu einem Meldeformat führen. Jährliche Daten sind erstmals für 2019 im Jahr 2020 an die BaFin zu liefern. Vierteljährliche Daten sind erstmals für das dritte Quartal 2019 abzugeben, und zwar im vierten Quartal 2019. Im Gegensatz zu den Solvency-II-Berichtspflichten sind bei EbAV keine Proberunden vorgesehen.

Fazit:

Die Anforderungen an EbAV werden sowohl durch die Umsetzung der EbAV-II-RL als auch der EZB-Verordnung und dem EIOPA-Beschluss weiterhin steigen. Insbesondere kleinere EbAV stehen vor immer größeren Herausforderungen, wie sie alleine oder mit Unterstützung des Trägerunternehmens kaum noch zu bewältigen sein werden.

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M. Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial