16. August 2017

Überversorgungsprüfung und Gehaltsreduzierungen: Aktuelle Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 20.12.2016 – I R 4/15)

In ständiger Rechtsprechung vertritt der Bundesfinanzhof (BFH) die Auffassung, dass die Pensionsrückstellung für eine unmittelbare Festbetragszusage nur dann steuerlich anzuerkennen ist, soweit keine sogenannte Überversorgung vorliegt. Von einer Überversorgung geht die Finanzverwaltung im Allgemeinen dann aus, wenn die in Aussicht gestellten Leistungen zuzüglich etwaiger Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 75 Prozent der Aktivbezüge am jeweiligen Bilanzstichtag übertreffen (vergleiche das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3.11.2004, IV B 2 - S 2176 - 13/04).

Die Deutungshoheit über die Auslegung von § 6a EStG ...

Doch wo findet sich für diese Auffassung eigentlich die gesetzliche Grundlage? Diese Frage hatte das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg aufgeworfen, als es über einen Fall zu entscheiden hatte, bei dem eine Überversorgung durch die Minderung von aktiven Bezügen eingetreten war. Der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer hatte nach Abgabe seiner Anteile an seine Söhne Arbeitszeit und Gehalt reduziert, aber die ihm erteilte Direktzusage unverändert gelassen. Zugesagtes Ruhegehalt und Aktivbezüge waren danach gleich hoch. Das FG sah darin eine Veranlassung aus dem Gesellschafterverhältnis und folgerte das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Doch für eine Kürzung der für die unveränderte Zusage gebildeten Pensionsrückstellungen sah es keine konkrete Grundlage.

... hat nun einmal der Bundesfinanzhof

Im Revisionsverfahren bestätigte der BFH nun seine frühere Rechtsprechung. aus dem Jahre 2016: Die Bildung von Pensionsrückstellungen für den überversorgten Anteil der Anwartschaft sei - weiterhin - nicht möglich. Zu begründen sei dies mit § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Regelung sei zu entnehmen, dass ein überhöhter Bilanzansatz, der auf der Annahme eines "säkularen Einkommenstrends" - also einer über lange Zeit andauernden Gehaltssteigerung - beruhe, auszuschließen sei. Im vorliegenden Fall sei also die Pensionsrückstellung anteilig zu mindern.

Allerdings wirkt die Interpretation des BFH diskussionswürdig. Denn in der angegebenen gesetzlichen Bestimmung geht es bei wörtlicher Auslegung allein um ungewisse Pensionsleistungen. Überhöhte Leistungen aus Festbetragszusagen sind aber eben gerade nicht der Höhe nach ungewiss; sie stehen vielmehr von Erteilung der Zusage an fest.

Auf einer Linie mit dem BMF

Was die konkrete Ausgestaltung der Überversorgungsprüfung, insbesondere im Falle einer Gehaltsreduktion, betrifft, lassen sich dem Urteil zudem folgende Grundsätze entnehmen. Sie entsprechen im Wesentlichen der Auffassung des BMF (vergleiche oben angegebenes BMF-Schreiben):

  • Grundlage für die Prüfung sind die durch das Arbeitsverhältnis betrieblich veranlassten Aktivbezüge. Die Prüfung ist stichtagsbezogen durchzuführen.
  • Werden Aktivbezüge in einer Unternehmenskrise nur vorübergehend gemindert, muss es nicht zwingend sofort zu einer Absenkung der Versorgung kommen, um einen Verstoß gegen die Grundsätze zur Überversorgung zu vermeiden.
  • Falls eine Überversorgung am Stichtag infolge einer Gehaltsminderung eingetreten ist, muss durch eine zeitanteilige Aufteilung gewährleistet werden, dass die Bewertungsbegrenzung nicht in einen Anwartschaftsteil hineinwirkt, der zu den früheren Stichtagen jeweils nicht überversorgend war.
  • Einzubeziehen sind in die Aktivbezüge auch variable Gehaltsbestandteile; maßgebend hierbei ist eine Durchschnittsberechnung jeweils für die vergangenen fünf Jahre.
  • In die Prüfung sind sämtliche, am Bilanzstichtag durch den Arbeitgeber vertraglich zugesagte Altersversorgungsansprüche (insbesondere Direktzusage und Direktversicherung) einschließlich der zu erwartenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen. Dabei ist unerheblich, auf welche Weise die gesetzliche Rente finanziert wurde.

Fazit:

Der BFH bekräftigt seine Auffassung, wonach die Bildung von Pensionsrückstellungen ausgeschlossen ist, soweit eine sogenannte Überversorgung vorliegt. Eine für jedermann schlüssige Begründung hierfür bleibt das Gericht aber auch weiterhin schuldig.

Sinkt das aktive Gehalt nicht nur vorübergehend, ist bei der Überversorgungsprüfung zu beachten, dass nicht in Anwartschaften eingegriffen wird, die zeitanteilig bereits erdient wurden. Zudem ist der Prüfung das Gehalt unter Berücksichtigung variabler Anteile zugrunde zu legen. Dabei ist eine Durchschnittsbildung der letzten fünf Jahre vor dem betreffenden Bilanzstichtag vorzunehmen.

Michael Gerhard, Aktuar DAV, Recht | Steuern, Longial