15. Februar 2017

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ - Pensionsverpflichtungen in 2017

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Die alte Fußballweisheit mahnt zur ständigen Vorbereitung auf die nächste Partie. Gleiches gilt für die Pensionsverpflichtungen...

„Nach dem Jahresabschluss ist vor dem Jahresabschluss.“ Zuletzt war es etwas ruhiger geworden um die Zinsschmelze und den damit verbundenen dramatischen Anstieg der Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz. Der Gesetzgeber hatte in 2016 mit der Reform des § 253 Handelsgesetzbuch (HGB) das Verfahren zur Berechnung des Diskontierungssatzes von einem sieben- auf einen zehnjährigen Durchschnittszins umgestellt (<link aktuelles news newsdetail entlastung-beim-hgb-rechnungszins-gesetzesbeschluss-und-wie-unternehmen-auf-die-ausschuettungssperr>Überblick, <link aktuelles news newsdetail zweifelsfragen-fragen-bei-derzur-neuregelung-der-bilanzierung-von-altersversorgungsverpflichtungen>Detailfragen) und damit den Anstieg der Pensionsverpflichtungen gestoppt.

Doch „gestoppt“ ist hier das falsche Wort. „Unterbrochen“ trifft es deutlich besser. Denn die Gesetzesänderung hat nicht mehr bewirkt als ein kurzes Aufatmen durch den Methodenwechsel. Der neue zehnjährige <link service rechnungszins hgb>Durchschnitts­zins fällt inzwischen ähnlich dramatisch wie der alte siebenjährige, sodass die Zinsschmelze ab 2017 mit aller Macht zurückkehrt. Musterberechnungen von Longial zeigen, dass – keine nachhaltige Erholung an den Finanzmärkten vorausgesetzt – die schlimmsten Auswirkungen der Zinsschmelze noch bevorstehen. So hat ein durchschnittliches Unternehmen im Zeitraum von 2010 bis 2015 gerade einmal ein Viertel der insgesamt drohenden Mehrbelastung aus der Niedrigzinsphase verarbeitet.

Musterberechnungen zum Zinsänderungeseffekt

Die bereits an dieser Stelle vorgestellte Neufassung der Stellungnahme <link aktuelles news newsdetail kommentar-zur-idw-stellungnahme-handelsrechtliche-bilanzierung-von-altersversorgungsverpflichtungen>IDW RS HFA 30 „Handelsrechtliche Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen“ wurde zwischenzeitlich mit kleineren Anpassungen am 16. Dezember 2016 verabschiedet. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) gibt darin wertvolle Hinweise zur Anwendung der Neufassung des § 253 HGB in der Praxis. Erwähnenswert ist insbesondere eine Klarstellung zur sogenannten Ausschüttungssperre nach § 253 Abs. 6 HGB, die erst in die nun verabschiedete finale Fassung der Stellungnahme aufgenommen wurde. Das Gesetz spricht von einer Ausschüttungssperre in Höhe des Unterschiedsbetrags der Rückstellungen mit zehn- und siebenjährigem Durchschnittszins. Das IDW stellt klar, dass „dieser Unterschiedsbetrag vor einer Verrechnung mit etwaigem Deckungsvermögen gemäß § 246 Abs. 2 Satz 2 HS. 1 HGB zu ermitteln“ sei. Im Ergebnis ist also der Unterschiedsbetrag der unsaldierten Erfüllungsbeträge maßgeblich für die Ausschüttungssperre.

Eine weitere <link aktuelles news newsdetail zweifelsfragen-fragen-bei-derzur-neuregelung-der-bilanzierung-von-altersversorgungsverpflichtungen>Zweifelsfrage hat zwischenzeitlich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 beantwortet. Unklar war zunächst, ob die Ausschüttungssperre nach § 253 Abs. 6 HGB auch dann anzuwenden sei, wenn ein Gewinnabführungsvertrag vorliegt. Das BMF schreibt hierzu: „Eine korrespondierende Abführungssperre bei Gewinnabführungsverträgen wurde [im Rahmen der HGB-Reform] ausdrücklich nicht geregelt; […]. Die nach § 14 Absatz 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 301 AktG notwendige Abführung des gesamten Gewinns setzt daher voraus, dass auch Gewinne, die auf der Anwendung des § 253 HGB beruhen, vollständig an den Organträger abgeführt werden. Eine analoge Anwendung der Ausschüttungssperre kommt nicht in Betracht.“

Der maßgebliche Rechnungszins beschäftigt auch immer wieder die Gerichte im Zusammenhang mit Versorgungsausgleichsverfahren. Hier ist der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 24. August 2016 zu einem bemerkenswerten Beschluss (XII ZB 84/13) gekommen: Unbeschadet der Neufassung des § 253 HGB ist für die Berechnung des Ausgleichswerts im Versorgungsausgleich weiterhin der siebenjährige Durchschnittszins zu Grunde zu legen. Zur Begründung führt das Gericht an, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Ausschüttungssperre in § 253 Abs. 6 HGB „hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht“ hat, „dass er für die Ermittlung eines angemessenen Finanzbedarfs für die Pensionsverpflichtungen die bisherige Durchschnittsbildung über sieben Jahre weiterhin für realitätsgerecht und angemessen hält.“

Für Unternehmen als Versorgungsträger bedeutet der Beschluss nicht weniger als eine Abkehr vom Prinzip der Kostenneutralität des Versorgungs­ausgleichs bei externer Teilung: Der auszukehrende Ausgleichswert (Siebenjahreszins) ist deutlich höher als die gebildete Rückstellung (Zehnjahreszins). Der Hinweis des Senats, „dass ein Versorgungsträger, der die mit der Absenkung des Rechnungszinses unter den – für ihn handelsbilanziell zulässigen – BilMoG-Zinssatz verbundenen Mehrbelastungen bei der externen Teilung nicht tragen will, die externe Teilung als Ausgleichsform nicht wählen muss“, vermag hier nicht wirklich zu trösten. Die externe Teilung ist und bleibt für viele Unternehmen ein wesentliches Instrument, um den durch das neue Versorgungsausgleichsrecht gestiegenen Verwaltungsaufwand unter Kontrolle zu halten.

Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS, Aktuariat, Longial