16. August 2017

Kündigung einer Direktversicherung kann vom Arbeitgeber abgelehnt werden (LAG Köln-Urteil vom 8.7.2016 – 9 Sa 14/16)

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) ging es um die Frage, ob dem klagenden Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber ein Anspruch darauf zusteht, dass die betriebliche Direktversicherung gekündigt wird.

 

Kündigung unter Fürsorgegesichtspunkten des Arbeitgebers?

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie das unter Berücksichtigung der Belange beider Vertragsparteien verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers.

Frühere Entscheidung: Abwägung beiderseitiger Interessen

In einer früheren Entscheidung hatte das LAG Bremen (Urteil vom 22.6.2011 - 2 Sa 76/10) einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Kündigung des Versicherungsvertrages bejaht. Voraussetzung war aber auch hier die Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dem Arbeitgeber muss es also möglich sein, ohne Beeinträchtigung eigener Interessen einen ihm möglichen Beitrag zu leisten, um dem Interesse des Arbeitnehmers entgegenzukommen.

Aktueller Fall: Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers

Im jetzt entschiedenen Fall waren die Interessen des Arbeitgebers durch die gewünschte Kündigung in so erheblichem Maße beeinträchtigt, dass die Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers ausging. Er befand sich zwar in einem finanziellen Engpass hinsichtlich seiner privaten Baufinanzierung. Der benötigte Finanzbedarf belief sich allerdings auf nur 1.775 Euro, sodass das Gericht die Notlage als nicht so gravierend angesehen hat. Dem stand gegenüber, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages zur Verschleuderung eines nicht unerheblichen Vermögenswertes führen würde. Denn der Arbeitnehmer hätte von dem Versicherungswert nur einen Bruchteil erhalten. Da die eingezahlten Beiträge nicht mit Sozialabgaben und Steuern belastet waren, müssten die gesamten eingesparten Sozialabgaben auf die Beitragssumme vom Arbeitgeber nachgezahlt werden. Wegen der vereinnahmten Zinsen drohte daher eine steuerliche Nachveranlagung.

Berücksichtigung von sozialpolitischen Aspekten

Ferner bedeutet die bAV nach Ansicht des LAG Köln mehr als nur einen jederzeit kündbaren Sparvorgang. Sie dient der Unterstützung in existentiellen Versorgungsfällen und nicht dem Ausgleich kurzfristiger finanzieller Engpässe.

Fazit:

Erfreulicherweise misst das LAG Köln dem sozialpolitischen Zweck der bAV eine große Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall stuft es die Interessen des Arbeitgebers an einen Erhalt der Versicherung höher ein als die Interessen des Arbeitnehmers an einer Kündigung.

Gegen das Urteil ist allerdings Revision eingelegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie das oberste Arbeitsgericht den Fall bewerten wird.

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial