15. Februar 2017

Ergänzung statt Ablösung: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz - Teil 1: Enthaftung und Garantie

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist am 21. Dezember 2016 vom Kabinett beschlossen worden und wird nun den üblichen Gesetzgebungsprozess durchlaufen. Der Zeitplan steht nach unserer Kenntnis bislang noch nicht fest. Aber es ist zu erwarten, dass aufgrund der Bundestagswahl am 24. September 2017 eine Verabschiedung vor der Sommerpause sehr wahrscheinlich ist.

 

Seit der Veröffentlichung diskutiert die Fachwelt das BRSG leidenschaftlich. Wir werden an dieser Stelle in den kommenden Ausgaben des Weitblicks die verschiedenen Inhalte des Gesetzes vorstellen und erläutern.

Ursprüngliches Ziel: Verbreitung der bAV in KMU
Zunächst wollen wir aber an dieser Stelle noch mal daran erinnern, dass das BRSG entwickelt wurde, um die bAV speziell in Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) zu verbreiten. Gleichzeitig sollen darüber hinaus insbesondere für Arbeitnehmer mit geringen Einkünften Anreize geschaffen beziehungsweise Hindernisse abgebaut werden, um auch diesen Menschen den Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung zu ermöglichen.

Das Gesetz kann daher in drei tragende Säulen unterteilt werden:

  •  das sogenannte „Sozialpartnermodell“,
  •  der Ausbau der steuerlichen Förderung
  •  sowie die darüber hinausgehende, gezielte Förderung von Altersvorsorge bei Geringverdienern.

Im Teil 1 beschäftigen wir uns mit dem Sozialpartnermodell und hier speziell mit den Punkten Arbeitgeberhaftung und Garantien.

Arbeitgeberhaftung als Hindernis?
Als ein Grund für die zurückhaltende Verbreitung der bAV in den letzten Jahren in allen Unternehmen und seit jeher insbesondere bei KMU wird immer wieder die mit der bAV verbundene Haftung des Arbeitgebers genannt. Zur Erinnerung: Auch wenn die Versorgungszusage über einen externen Versorgungsträger, wie etwa eine Direktversicherung oder eine Unterstützungskasse, eingerichtet wurde, bleibt der Arbeitgeber in der Subsidiär-/(Nach-)Haftung, falls der Versorgungsträger die zugesagte Leistung ganz oder teilweise nicht mehr erbringen kann – aus welchen Gründen auch immer.

Und genau an dieser Stelle setzt das BRSG mit dem Sozialpartnermodell an. Dem Arbeitgeber wird erstmalig erlaubt, eine „reine Beitragszusage“ zu erteilen. Das heißt, einen Beitrag an einen externen Versorgungsträger zahlen, ohne jedoch dafür einstehen zu müssen, wie sich dieser Beitrag bis zum Rentenbeginn beziehungsweise wie sich die spätere Rentenleistung entwickelt. Stichwort: „Pay and forget“!

An die „reine Beitragszusage“ knüpft das Sozialpartnermodell aber Voraussetzungen:

Tarifliche Versorgungseinrichtungen
Zunächst muss es sich bei den externen Versorgungsträgern um Versorgungseinrichtungen handeln, auf die sich die Sozialpartner (daher der Name Sozialpartnermodell), also Arbeitgeberverband und Gewerkschaften, verständigt haben. Das können entweder neue Versorgungseinrichtungen sein, die zu diesem Zweck extra gegründet werden, oder aber bestehende Einrichtungen. In Frage kommen dafür Pensionskassen, Pensionsfonds und im Durchführungsweg Direktversicherung auch Lebensversicherungsunternehmen.

Die Vorgabe, dass die Sozialpartner die Versorgungseinrichtung festlegen müssen, ist dabei einer der Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf: Wenn das Ziel ist, die Verbreitung der bAV bei KMU auszubauen, dann muss die Frage erlaubt sein, wie gerade diese mit den tarifvertraglichen Lösungen erreicht werden können. Denn gerade KMU sind häufig nicht entsprechend organisiert! Natürlich kann es ein Weg sein, dass die KMU sich einer tarifvertraglichen Lösung ihrer Branche anschließen und in ihren Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen auf tarifvertragliche Regelungen verweisen. Aber sind die Interessen der KMU in diesen Lösungen dann wirklich vertreten? Oder werden nicht eher die großen Unternehmen der jeweiligen Branche in den tariflichen Lösungen den Ton angeben und die Modelle auf ihre Bedürfnisse ausrichten?

Keine Garantien
Eine weitere Voraussetzung für das Sozialpartnermodell ist das Verbot für die Versorgungseinrichtungen, auf die Leistungen eine irgendwie geartete Garantie zu gewähren. Auch hierzu gibt es zahlreiche Kritiker: Einerseits die potentiellen Versorgungsträger der Versicherungswirtschaft. Ein Verbot von Garantien torpediert das Alleinstellungsmerkmal der Versicherungswirtschaft, nämlich Versorgungsleistungen lebenslang garantieren zu können. Aber auch von Seiten der Gewerkschaften wird Kritik geäußert. Sie haben dabei eher den Schutz der Arbeitnehmer im Blick, indem sie garantierte Versorgungsleistungen befürworten.

Wertfrei betrachtet sorgen Garantien für verlässliche und planbare Versorgungsleistungen, mit denen die Versorgungsberechtigten im Rentenalter fest rechnen können. Andererseits stellen Garantien einen Kostenfaktor dar, der von den eingezahlten Beiträgen getragen werden muss und somit auf die Höhe der Versorgungsleistung drückt. Daher sind Garantien eine Belastung für den Versorgungsträger. Durch die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen zur sogenannten „Solvabilität“ (Stichwort: Solvency II), also zur Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen, muss der Versorgungsträger umso mehr Eigenmittel vorhalten, je höher die Garantien sind, die den Versorgungsberechtigten gewährt werden. Damit kann der Versorgungsträger (noch) weniger Kapital in Kapitalanlagen mit größerer Renditeerwartung investieren.

Weitere Voraussetzungen
Darüber hinaus werden die Arbeitgeber im Rahmen des Sozialpartnermodells verpflichtet, die Ersparnis bei den Sozialversicherungsbeiträgen, die durch die Einrichtung einer bAV anfällt, fast vollständig an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Das Gesetz sieht dazu vor, dass der Arbeitgeber 15 Prozent der eingezahlten Beiträge zusätzlich einzuzahlen hat, bei aktuell ca. 20 Prozent Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Neben den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorteilen, die der Arbeitnehmer mit einer bAV erzielt, ist dies ein zusätzlicher Beitrag, der die Attraktivität von bAV-Systemen erhöht.

Im Gesetz wird noch von einem weiteren Zusatzbeitrag für die Arbeitgeber gesprochen, dem sogenannten „Sicherungsbeitrag“. Doch zum einen führt das Gesetz nicht weiter aus, wozu dieser Sicherungsbeitrag verwendet werden soll und in welcher Höhe er anfällt. Zum anderen sieht das Gesetz vor, dass der Sicherungsbeitrag vereinbart werden kann. Damit überlässt er es den Verhandlungen der Sozialpartner, ob und in welcher Höhe dieser Sicherungsbeitrag tatsächlich anfällt. Und damit können sich künftig Unterschiede in den Sozialpartnermodellen der einzelnen Branchen ergeben: Branche A sieht einen Sicherungsbeitrag von X Prozent vor, Branche B von Y Prozent, während in Branche C gänzlich auf Sicherungsbeiträge verzichtet wird.

Optionsmodell
Das Gesetz sieht neben den genannten Punkten auch vor, dass die Sozialpartner vereinbaren können, dass dieser Weg der bAV automatisch für alle Arbeitnehmer eines Unternehmens gilt. Bislang wurden solche Modelle in der Fachwelt als „Opting-Out“ bezeichnet. Bei einem Opting-Out werden alle Arbeitnehmer automatisch in das Versorgungssystem aufgenommen. Der Arbeitnehmer muss selbst aktiv werden, wenn er das ausdrücklich nicht möchte. Bislang gab es bei solchen Modellen Bedenken, ob diese rechtssicher auch auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse angewendet werden können. Mit der Aufnahme in das Gesetz schafft der Gesetzgeber zumindest hinsichtlich tarifvertraglicher Lösungen hier nun Rechtssicherheit.

 

Fazit: 

Das Sozialpartnermodell geht in vielerlei Hinsicht neue Wege in der bAV. Wege, die es teilweise in anderen Ländern schon gibt. Den Kritikern der neuen Wege sei an dieser Stelle entgegen gehalten, dass das Sozialpartnermodell die „alte bAV-Welt“ nicht ablöst. Insbesondere die alten Versorgungszusagen mit Garantien gibt es auch weiterhin. Das Sozialpartnermodell löst die alte Welt nicht ab, sondern ergänzt sie lediglich um eine weitere Möglichkeit. Doch ein neuer Weg sollte sich deutlich von dem ersten Weg unterscheiden – ansonsten wäre er überflüssig. Zudem wird es der Markt in den kommenden Jahren sicherlich zeigen, welcher Weg von den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern bevorzugt wird.

In den nächsten Ausgaben des Weitblicks werden wir die steuerlichen Rahmenbedingungen und die besonderen Anreize für Geringverdiener ausführlich beschreiben. Darüber hinaus beleuchten wir die Systematik der sogenannten „Zielrente“. Hierbei handelt es sich um die Methode, wie die Höhe der monatlichen Renten festgelegt wird und wann beziehungsweise wie sie sich im Laufe der Zeit nach Rentenbeginn verändern können.

Wenn Sie heute schon Fragen zum Sozialpartnermodell haben oder sich auf die anstehende Gespräche in ihrem Unternehmen mit Ihren Sozialpartnern bereits vorbereiten möchten: Sprechen Sie uns an.

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial