04. September 2019

Anpassung einer vertraglichen Einheitsregelung mit kollektivem Bezug (BAG-Urteil vom 11.12.2018 – 3 AZR 380/17)

Mit seinem Urteil vom 11.12.2018 hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut mit der Anpassung von Versorgungsregelungen beschäftigt.


Konkret ging es im vorliegenden Fall darum, ob die im Rahmen einer vertraglichen Einheitsregelung an die leitenden Angestellten erteilten Versorgungszusagen eine Anpassung durch einen Beschluss des Konzernsprecherausschusses erhalten können. Das BAG hat sich in den letzten Jahren immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit individualrechtlich erteilte Zusagen nachfolgend geändert werden können.

Welche Regelung ist für die Anpassung des Ruhegehalts maßgebend?
Der 1947 geborene Kläger, ein leitender Angestellter, war seit dem 1.3.1979 bei einem Konzernunternehmen beschäftigt. Zwischen dem Kläger und der Konzerntochter wurden bereits 1979 und 1986 Ruhegehaltsverträge vereinbart. Im Zusammenhang mit dem Wechsel des Klägers zur Beklagten zum 1.5.1989 vereinbarten die Parteien einen neuen Ruhegehaltsvertrag unter dem 27.4.1989. In diesem ist unter anderem geregelt:

Das Ruhegehalt wird vom Beginn der Ruhegehaltszahlungen an zum 1.1. eines jeden Jahres an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst. Das Ruhegehalt wird jeweils um den Prozentsatz erhöht oder ermäßigt, um den sich der für den Monat September des abgelaufenen Jahres durch das Statistische Bundesamt veröffentlichte ‚Preisindex für die Lebenshaltung aller privater Haushalte in der Bundesrepublik‘ gegenüber dem für den September des vorangegangenen Jahres veröffentlichten Index erhöht oder ermäßigt hat. Das Ruhegehalt darf jedoch den Betrag nicht übersteigen, den ein aktiver Mitarbeiter der gleichen Ruhegehaltsgruppe unter denselben Voraussetzungen als Ruhegehalt zu beanspruchen hätte.

Schließlich hat die Geschäftsführung beschlossen, für bestimmte Mitarbeitergruppen im Rahmen der bAV ein Modell zur Bildung von Vorsorgekapital einzuführen. Das Modell sieht die wahlweise Umwandlung der Abschlussvergütung oder Teilen davon in eine Zusage auf Vorsorgekapital vor. Zum 1.1.1999 erfolgte eine Umstellung des bisherigen Systems der bAV auf ein beitragsorientiertes Bausteinsystem.

Bis zu einem Versorgungskapital in Höhe von 90.000 DM sollte ein Einmalkapital gezahlt werden. Liegt das Versorgungsguthaben darüber, erfolgt eine ratenweise Auszahlung. Übersteigt das Versorgungsguthaben 240.000 DM, behält sich das Unternehmen vor, die Leistung lebenslang zu verrenten. Die Rente wird unter Anrechnung einer Anpassung von 1 Prozent jährlich auf die Rente gemäß § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) angepasst.

Ablösung durch kollektivrechtliche Regelung erlaubt
Das BAG stellt klar, dass Zusagen von Leistungen der bAV auf Basis einer vertraglichen Einheitsregelung mit kollektivem Bezug, die somit Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten, regelmäßig offen für eine – auch verschlechternde – kollektivrechtliche Ablösung seien. Bei Versorgungszusagen sei die Geltung der Regelungsinhalte von vornherein auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt. Der Arbeitnehmer könne daher einen möglichen künftigen Änderungsbedarf erkennen. Eine Ablösung kann dabei nicht nur durch eine Betriebsvereinbarung oder Sprecherausschussvereinbarung als betriebliche kollektivrechtliche Regelung erfolgen, sondern auch durch eine neue vertragliche Einheitsregelung beziehungsweise eine Gesamtzusage erfolgen, wenn zum Beispiel eine Betriebs- oder Sprecherausschussvereinbarung aus formellen Gründen unwirksam ist. Die Ablösung einer Anpassungsregelung laufender Leistungen gegenüber dem Arbeitnehmer sei dann anhand der Grundsätze des Besitzstandschutzes, Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen und nicht etwa an der vom BAG entwickelten Drei-Stufen-Theorie. Liegt keine Verletzung dieser Grundsätze im konkreten Einzelfall vor, kann jede nach einheitlichen Kriterien in einem Unternehmen bestehende Versorgungssystematik für die Zukunft neu, gegebenenfalls auch nachteilig, gestaltet werden.

Fazit:

Das BAG bestätigt hier seine Rechtsprechung, dass auch individualrechtliche Zusagen mit kollektivem Bezug durch eine nachfolgende kollektivrechtliche Regelung oder sogar durch eine Gesamtzusage abgelöst werden können.

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M. Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial