04. September 2019

Altersgrenzen für die gesetzliche Rente in Europa

Das Gesetz zur Anpassung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung trat 2009 in Kraft. Seitdem entfacht es immer wieder Diskussionen. Mit ihm wird die Altersgrenze für den Rentenbezug ab Jahrgang 1948 zwischen 2012 und 2030 schrittweise angehoben: vom 65. auf das 67. Lebensjahr.


Für die Einen ist ein Renteneintritt mit 67 lebensfremd, weil man in vielen Berufen gar nicht in der Lage sei, bis zum 67. Lebensjahr arbeiten zu können. Beispielhaft ziehen Kritiker hier gerne den Dachdecker oder die Altenpflegerin heran. Für die Anderen geht die Altersgrenze 67 noch nicht weit genug, vom 69. oder gar 70. Lebensjahr war hier zu lesen.

Status quo
Aktuell ist es auffallend ruhig um dieses Thema. Angesichts einer stetig steigenden Lebenserwartung und einer stetig älter werdenden Bevölkerung ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es wieder im politischen Diskurs erscheint. Vielleicht hilft ein Blick ins europäische Ausland, um die sogenannte Regelaltersgrenze in Deutschland einordnen zu können.

Innerhalb der EU gibt es nur noch wenige Staaten, in denen die Regelaltersgrenze vor dem 65. Lebensjahr liegt, zum Beispiel die drei baltischen Staaten, Malta oder auch Frankreich. Aber in allen Staaten sind bereits Reformen verabschiedet beziehungsweise in Kraft, die das Rentenalter auf das 65. Lebensjahr oder darüber hinaus festlegen.

Lebenserwartung als Maßstab
Erste Staaten gehen sogar so weit, die Regelaltersgrenze für den Rentenbezug an die Entwicklung der allgemeinen Lebenserwartung zu koppeln. Laut Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm ist die Lebenserwartung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten alle 10 Jahre um circa 2,5 Jahre angestiegen. Eine Projektion des Statistischen Bundesamts geht von einer ähnlichen Entwicklung in den kommenden Jahren aus. Eine anschauliche Grafik, die die zu erwartende Entwicklung der Bevölkerung abbildet, finden Interessenten unter folgendem Link: service.destatis.de/bevoelkerungspyramide. In den meisten EU-Staaten ist die Entwicklung vergleichbar.

Was heißt das für die Altersversorgungssysteme? Eine steigende Lebenserwartung führt bei einer statischen Altersgrenze zu einem längeren Ruhestand, also einer längeren Rentenbezugszeit. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Rentenkassen. Verschiebt sich der Rentenbeginn aber parallel zur steigenden Lebenserwartung, wird die Rentenbezugszeit im Mittel gleich lang bleiben. Das haben eine Reihe europäischer Staaten bei den letzten Rentenreformen entsprechend berücksichtigt.

Prognosen zum Rentenalter im Ländervergleich
In Dänemark zum Beispiel steigt das Rentenalter bis 2027 zunächst auf 67 Jahre an. Ab 2030 erfolgt dann regelmäßig eine Anhebung des Rentenalters entsprechend der Entwicklung der Lebenserwartung. Verschiedene Studien und Prognosen, etwa der OECD oder des Finnish Centre for Pensions, zeigen, dass im Jahr 2050 die Regelaltersgrenze in Dänemark schon bei 72 Jahren liegen wird. Für die Niederlande und Griechenland wird eine Regelaltersgrenze im Jahr 2050 jenseits der 69 prognostiziert. In Zypern, Irland, Großbritannien, Italien und Portugal wird sie zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich zwischen 68 und 69 Jahren liegen, in Finnland und der Tschechischen Republik vermutlich zwischen 67 und 68 Jahren.

Nach der Reform ist vor der Reform. In diesem Sinne erwarten wir, dass die Diskussionen um eine Anhebung der Regelaltersgrenze in Deutschland wieder aufleben werden. Ob in dieser oder der nächsten Legislaturperiode? – Wir werden sehen.

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial