25. August 2021

Kann ein Arbeitnehmer-Ehegatte so viel Gehalt umwandeln, wie er will?

BFH-Urteil vom 28.10.2020 – X R 32/18: Nach ständiger Rechtsprechung wird bei Arbeitnehmer-Ehegatten die vollständige Umwandlung des Gehalts zugunsten einer bAV steuerlich nicht anerkannt. Doch in welchem Umfang ist Entgeltumwandlung möglich?


Die Entgeltumwandlung bei Arbeitnehmer-Ehegatten
Zwar bestehen aus steuerlicher Sicht gegen eine bAV in Form der Entgeltumwandlung bei einem Arbeitnehmer-Ehegatten keine grundsätzlichen Bedenken. Dennoch wollen die Finanzgerichte eine vollständige Umwandlung des Gehalts zugunsten einer bAV (sogenannte „Nur-Pension“) in aller Regel nicht anerkennen (vergleiche BFH-Urteil vom 25.7.1995 – VIII R 38/93). Mit der Frage, ob eine bAV steuerlich anzuerkennen ist, wenn zwar nicht das gesamte Gehalt des Arbeitnehmer-Ehegatten, aber doch ein wesentlicher Teil zugunsten einer Entgeltumwandlung verwendet wird, hatte sich jüngst der Bundesfinanzhof (BFH) zu befassen.

Ist eine Umwandlung von 45 Prozent des laufenden Gehalts möglich?
In dem betreffenden Fall hatte der Arbeitnehmer-Ehegatte mit der Firma vereinbart, circa 45 Prozent seines laufenden Gehalts zugunsten einer Unterstützungskassen-Versorgung umzuwandeln. Die Kasse finanzierte die in Aussicht gestellten Leistungen durch eine kongruente Rückdeckungsversicherung gegen einen laufenden Beitrag in gleichbleibender Höhe.

Nein, sagte die Finanzverwaltung ...
Die Finanzverwaltung wollte die von der Firma an die Unterstützungskasse geleisteten Zuwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkennen. Sie war der Auffassung, die Zahlung sei nicht betrieblich veranlasst, weil sie einem Fremdvergleich nicht standhielte. Zum einen bestünde bei einer Unterstützungskassen-Versorgung für den Arbeitgeber ein Nachhaftungsrisiko. Zum anderen würde durch die hochvolumige Entgeltumwandlung im Rentenalter ein Versorgungsniveau erreicht, welches die Einkünfte während der Aktivenzeit um mehr als das Doppelte übersteige.

... und ja, sagt der BFH, ...
Diesen Bedenken hat sich der BFH nicht angeschlossen. Die Versorgung eines Arbeitnehmer-Ehegatten ist zwar auch bei einer Finanzierung durch Entgeltumwandlung einem Fremdvergleich zu unterziehen. Allerdings sei in einer Entgeltumwandlung an sich regelmäßig keine ungewöhnliche oder unangemessene Umgestaltung eines Arbeitsverhältnisses zu sehen, die es gebieten könnte, den Abzug des Aufwands für die bAV als Betriebsausgabe zu versagen. Denn der Aufwand des Arbeitgeber-Ehegatten aus dem Arbeitsverhältnis bleibt dabei betragsmäßig unverändert. In der Regel, so der BFH, sind Entgeltumwandlungen daher steuerlich anzuerkennen. 

... soweit nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt. 
Der Versagung der steuerlichen Anerkennung muss also ein besonderer Ausnahmetatbestand zugrunde liegen. Eine entsprechende Ausnahme könnte nach Auffassung des BFH allenfalls dann gegeben sein, wenn

  • eine vollständige Umwandlung des Gehalts vorgenommen wird, oder 
  • die Gehaltsumwandlung durch eine sprunghafte Erhöhung der Gehaltszahlung vor Beginn der Umwandlung erst initiiert wird, oder
  • mit der Entgeltumwandlung zusätzliche Risiko- und Kostensteigerungen für den Arbeitgeber verbunden sind.

Im vorliegenden Fall war das aber alles nicht gegeben. Dem Arbeitnehmer-Ehegatten verblieben nach Umwandlung von 45 Prozent seines Gehalts noch ausreichende Einkünfte zur Abdeckung der laufenden Lebenshaltungskosten. Zudem war es aus Sicht des BFH nachvollziehbar, dass eine hohe bAV angestrebt wurde, da der Arbeitnehmer-Ehegatte wegen des Wegfalls seiner Sozialversicherungspflicht später keine gesetzliche Rente von nennenswerter Höhe zu erwarten hatte. Dass der Arbeitnehmer-Ehegatte in dieser Form über sein eigenes Vermögen verfügen wollte, sei, so der BFH, nicht zu bemängeln. Darüber hinaus bliebe es Arbeitnehmern ganz allgemein unbenommen, auch auf andere Weise eine Überversorgung im Alter anzustreben. Der BFH ist der Meinung, dass auch Arbeitnehmer-Ehegatten ein solches Ziel per Entgeltumwandlung verfolgen dürften. 

Fazit

Eine arbeitnehmerfinanzierte bAV ist in der Regel auch dann steuerlich anzuerkennen, wenn ein Arbeitnehmer-Ehegatte einen wesentlichen Teil seines Gehalts umwandelt. Insbesondere steht es der steuerlichen Anerkennung nicht entgegen, wenn durch die Entgeltumwandlung ein sehr hohes Versorgungsniveau erreicht wird. Nur in Ausnahmefällen – wie etwa einer so hohen Umwandlung, dass aus dem verbleibenden Gehalt die Lebenshaltungskosten nicht länger gedeckt sind – kann die steuerliche Anerkennung versagt werden. 

i Was ist zu tun?

  • Soweit es in der Vergangenheit bezüglich der steuerlichen Anerkennung der arbeitnehmerfinanzierten bAV eines Arbeitnehmer-Ehegatten Beanstandungen seitens der Finanzverwaltung gegeben hat, gibt das Urteil Argumentationshilfen, die Beanstandungen nachträglich auszuräumen. Wer eine bAV aus Entgeltumwandlung bei einem Arbeitnehmer-Ehegatten neu einrichten möchte, hat nun – was die Höhe des Umwandlungsbetrages betrifft – mehr Spielraum, ohne dass die steuerliche Anerkennung gefährdet wird.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Versorgungsträgermanagement, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Unterstützungskassen und für deren Jahresabschluss)