07. September 2022

Finanzierungsendalter bei der Bewertung von Pensions- und Jubiläumsleistungen

Bei der Bewertung verschiedener Pensionszusagen mit unterschiedlichen Pensionsaltern ist nicht zwingend ein einheitliches Finanzierungsendalter zu berücksichtigen. Dieser Meinung des BFH hat sich die Finanzverwaltung nunmehr angeschlossen (BMF-Schreiben vom 02.05.2022, IV C 6 -S 2176/20/10005 :001).


Die Auswirkungen des Finanzierungsendalters auf die Rückstellungshöhe
Die Wahl des Finanzierungsendalters wirkt sich unmittelbar auf die Höhe derjenigen Rückstellungen aus, welche nach § 6a EStG mit dem so genannten Teilwertverfahren für die Anwartschaft auf eine Pensionsleistung zu bilden sind. Bei gleicher Leistungshöhe führen niedrigere Finanzierungsendalter dabei zu höheren Rückstellungen. Grundsätzlich ist nach Ansicht der Finanzverwaltung das jeweils vertraglich vereinbarte Pensionsalter zugrunde zu legen (R 6a Abs. 11 Satz 1 EStR). Auch ein höheres Finanzierungsendalter ist zulässig ("erstes Wahlrecht"). Ein niedrigeres Finanzierungsendalter ("zweites Wahlrecht") - nämlich das Alter bei der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - kann verwendet werden, wenn in der betreffenden Pensionszusage genau festgelegt ist, in welcher Höhe Versorgungsleistungen von diesem Zeitpunkt an konkret gewährt werden (R 6a Abs. 11 Satz 4 EStR). 

Unterschiedliche Ansichten von BFH und BMF in der Vergangenheit
Bislang vertrat die Finanzverwaltung die Meinung, dass die gegenüber einem Berechtigten getroffene Wahl des Finanzierungsendalters einheitlich für die gesamte Pensionsverpflichtung, einschließlich einer etwaigen Entgeltumwandlung, zu gelten habe (R 6a Abs. 11 Satz 10 EStR). Sie befand sich damit allerdings seit einiger Zeit im Widerspruch zur Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hatte bereits vor längerem entschieden, dass hinsichtlich des Finanzierungsendalters bei verschiedenen, gegenüber einem Arbeitnehmer erteilten, Pensionszusagen mit unterschiedlichen Pensionsaltern jeweils auf denjenigen Leistungszeitpunkt abzustellen ist, der in den einzelnen Zusagen schriftlich vereinbart wurde. Für Berechtigte mit mehreren Versorgungszusagen ist nach Ansicht des BFH also nicht notwendigerweise ein einheitliches Pensionsalter bei der Bewertung anzusetzen. Dies gilt nach Auffassung des BFH zumindest dann, wenn es sich tatsächlich um verschiedene Zusagen handelt, die als jeweils eigenständig beurteilt werden können (siehe unseren Bericht vom BFH-Urteil vom 20.11.2019 – XI R 42/18). 

Zwang zu einem einheitlichen Finanzierungsendalter aufgehoben...
Mit seinem Schreiben vom 02.05.2022 (IV C 6 -S 2176/20/10005 :001) schließt sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nunmehr offenkundig der Ansicht des BFH an. Nach dem Schreiben des BMF sind die Regelungen des R 6a Abs. 11 Satz 10 EStR nicht weiter anzuwenden. Das zweite Wahlrecht kann für unterschiedliche Pensionszusagen eines Berechtigten also unabhängig voneinander ausgeübt werden. Wurde bislang bei der Teilwertermittlung das Finanzierungsendalter unter Bezugnahme auf die bisherige Regelung in den Einkommensteuerrichtlinien in Übereinstimmung mit einer weiteren, gegenüber dem Berechtigten erteilten, Zusage angesetzt, kann das zweite Wahlrecht spätestens in der Bilanz des nach dem 29.06.2023 endenden Wirtschaftsjahres einmalig neu ausgeübt oder eine frühere Ausübung dieses Wahlrechtes zurückgenommen werden (Übergangsfrist).

...nicht nur bei Pensionsverpflichtungen, sondern auch bei Jubiläumsleistungen
Das BMF gibt bei dieser Gelegenheit auch seine bisherige Auffassung auf, wonach das Finanzierungsendalter für die Bewertung von Jubiläumsleistungen auf das Finanzierungsendalter für etwaig bestehende Pensionsverpflichtungen abzustimmen ist. Bislang vertrat das BMF die Meinung, dass in den Fällen, in denen einem Berechtigten neben Jubiläumsleistungen auch Pensionsleistungen zugesagt wurden, insoweit dasselbe Alter zu berücksichtigen sei (siehe BMF-Schreiben vom 08.12.2008 - IV C 6 - S 2137/07/10002). Auch diese Regelung ist nunmehr nicht weiter anzuwenden. Für die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem ein Berechtigter wegen des Eintritts in den Ruhestand aus dem Unternehmen ausscheidet, ist ab sofort ausschließlich das dienstvertragliche Pensionsalter, spätestens die jeweilige Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, zugrunde zu legen. Ist vor diesem Hintergrund künftig ein höheres Finanzierungsendalter für die Bewertung von Jubiläumsleistungen als bislang zugrunde zu legen, sind ggf. mehr Jubiläen bei der Bewertung zu berücksichtigen. Die Höhe der Rückstellungen würde für diesen Fall - im Vergleich zur bisherigen Bewertungsmethode - steigen.

Fazit  

Dass die Finanzverwaltung ihre bisherige restriktive Sicht bei der Bewertung von Versorgungszusagen mit unterschiedlichen Pensionsaltern bzw. bei der Bewertung von Jubiläumsleistungen bei bestehenden Pensionszusagen aufgibt, ist zu begrüßen. Auf diese Weise erhält man künftig Bewertungsergebnisse, welche den Wert der betreffenden Verpflichtung genauer abbilden. 

i Was ist zu tun?

  • Das vorliegende BMF-Schreiben eröffnet in bestimmten Fallkonstellationen mehr Gestaltungsspielraum bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen. In die bisherige Methode zur Rückstellungsberechnung kann insoweit eingegriffen werden. Dieser Spielraum ist allerdings bis zu dem Bilanzstichtag des nach dem 29.06.2023 endenden Wirtschaftsjahres zu nutzen. Nach dem Ende der Übergangsfrist ist der Arbeitgeber an die getroffene Wahl gebunden. Insoweit empfiehlt sich eine rechtzeitige Abstimmung mit dem zuständigen versicherungsmathematischen Gutachter.

Weitere Infos unter:

weitblick@longial.de

 


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), ERGO-Versorgungsträgermanagement, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Unterstützungskassen und für deren Jahresabschluss).