23. Februar 2022

Erstes Urteil zum verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung

LAG Niedersachsen-Urteil vom 31.5.2021 – 15 Sa 1096/20B, im Revisionsverfahren vor dem BAG am 8.3.2022 unter 3 AZR 361/21: Der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlungen ist bei den Gerichten angekommen. Was ist zu erwarten?


Nachdem am 1.1.2022 die Übergangsphase zum verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlungen gemäß § 1a Abs. 1a Betriebsrentengesetz (BetrAVG) abgelaufen ist (Weitblick 4/2021), werden in der Praxis Fragen nach den Details der praktischen Umsetzung drängender. Eine erste gerichtliche Entscheidung ist bereits ergangen. Die höchstrichterliche Bewertung der zugrunde liegenden Streitfrage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht kurz bevor. Erhofft wird eine Klärung, ob und unter welchen Bedingungen bereits bestehende Arbeitgeberzuschüsse angerechnet werden können.

Der Fall
Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten findet kraft beiderseitiger Tarifbindung unter anderem der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen Industrie e.V. und der IG Metall vom 9.12.2008 (TV AV) Anwendung. Dieser sieht vor, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten einen Altersvorsorgegrundbetrag anbietet, der der Entgeltumwandlung dient. Darüber hinaus kann der Beschäftigte weiteres Entgelt umwandeln.

Der Kläger zahlte im Wege der Entgeltumwandlung einen monatlichen Betrag in Höhe von 86,83 Euro, in dem ein Altersvorsorgegrundbetrag für 2019 in Höhe von 36,83 Euro beziehungsweise für 2020 in Höhe von 37,79 Euro enthalten war. Mit seiner Klage macht der Kläger, der bereits den Altersvorsorgegrundbetrag als Zuschuss des Arbeitgebers aufgrund seiner tarifvertraglichen Regelung bekam, noch zusätzlich den gesetzlichen Zuschuss geltend. Das Arbeitsgericht Osnabrück hat die Klage abgewiesen. Gegen das im September 2020 zugestellt Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. 

Die Entscheidung 
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat entschieden, dass die Berufung unbegründet sei, da dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Arbeitgeberzuschusses zusteht. Die Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG sei bereits durch die Zahlung des Altersvorsorgegrundbetrages erfüllt.

Nach Ansicht des Gerichts soll der Arbeitgeber durch die Regelung verpflichtet werden, den durch die Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen erlangten Vorteil an den Arbeitnehmer weiterzuleiten – als zusätzlichen Anreiz zur Entgeltumwandlung.

Kommt ein Arbeitgeber dieser Pflicht bereits aufgrund einer tariflichen Regelung nach, sollen die im bestehenden Entgeltumwandlungssystem gewährten Zuschüsse auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG angerechnet werden.

Der Altersvorsorgegrundbetrag sei zudem ein Arbeitgeberzuschuss und kein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber leistet diese Zahlung, damit Entgelt zum Zweck der Bildung einer bAV verwendet wird. Zudem kann der Arbeitnehmer den Betrag im zugrunde liegenden Fall nur dann beanspruchen, wenn er ihn für eine Entgeltumwandlung einsetzt. Damit handele es sich um einen zusätzlichen Anspruch mit eigenen Voraussetzungen.

Auch die Höhe des Altersvorsorgegrundbetrags sei ausreichend, da sie die geforderten 15 Prozent des § 1a Abs. 1a BetrAVG deutlich übersteigt.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob sich das BAG dieser Begründung anschließt und tarifvertraglich gewährte Zuschüsse auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG anrechnet. Zu wünschen wäre, dass sich das BAG zudem grundsätzlich zu der Frage äußert, unter welchen Bedingungen eine Anrechnung erfolgen kann. Die zügige Terminierung deutet darauf hin, dass auch das BAG an einer schnellen Klarstellung der offenen Frage interessiert ist.

i Was ist zu tun?

  • Die gesetzliche Verpflichtung gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG ist für die betroffenen Verträge umzusetzen, soweit der Arbeitgeber durch Entgeltumwandlung Beiträge zur Sozialversicherung einspart.
  • Je nach Beurteilung durch das BAG kann ein bereits bestehender Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung angerechnet werden oder eine schnellstmögliche Nachfinanzierung ist erforderlich.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Vanessa Angel, Synikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial
(Expertin für Versorgungseinrichtungen wie z.B. Unterstützungskassen zu allen steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere auch bei Fragestellungen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs)