04. Dezember 2019

Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen (BAG-Urteil vom 14.5.2019 – 3 AZR 150/17 – LAG München-Urteil vom 26.1.2017 – 3 Sa 638/16)

Das BAG befasste sich mit der Frage, was ein Arbeitgeber beachten sollte, wenn er entscheiden darf, ob im Leistungsfall eine Kapitalzahlung oder eine Rente ausgezahlt wird und er sich zeitgleich verpflichtet hat, bei dieser Entscheidung die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.


Der Fall
Im zugrunde liegenden Fall informierte der Kläger seinen Arbeitgeber über seine Versetzung in den Ruhestand und beantragte die Auszahlung seines Versorgungsguthabens als monatliche Rentenzahlung. Die entsprechende Regelung zur bAV gewährte dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das Versorgungsguthaben als Einmalkapital auszuzahlen oder es zu verrenten. Bei dieser Entscheidung sind gemäß der Regelung auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Eine Verrentung gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers war allerdings nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch eine Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist. Folglich führte der ehemalige Arbeitnehmer aus, dass aufgrund seiner Erkrankung eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohe, wenn er selbst seine für ihn existenzielle Altersversorgung organisieren müsse. Der Arbeitgeber jedoch wollte dem Betriebsrentner das Versorgungsguthaben in Höhe von 116.282 Euro als einmalige Kapitalzahlung zur Verfügung stellen, da die Verrentung bei ihm zu einer wirtschaftlichen Mehrbelastung in Höhe von bis zu 44.000 Euro führen würde und einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeute. Damit würden die Interessen des Arbeitgebers an einer Kapitalzahlung überwiegen. Der Betriebsrentner machte geltend, dass ihm ein Anspruch auf eine Verrentung zustehe und der Arbeitgeber das ihm zustehende Wahlrecht in unzulässiger Weise ausgeübt habe.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) konnte in diesem Fall nicht final entscheiden, erstellte aber Richtlinien, wie das für die weiteren Ermittlungen zuständige Landesarbeitsgericht zu prüfen hat.

Arbeitgeber entscheidet nach billigem Ermessen
Der Kläger habe keinen unbedingten Verrentungsanspruch. Der Arbeitgeber muss seine Entscheidung über die Art der Auszahlung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch treffen. Sie entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessenentscheidung zu treffen hat. Diese Entscheidung kann das Gericht überprüfen. Da im vorliegenden Fall der Arbeitgeber berechtigt ist, die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, ist er auch verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, welche Abwägungen er seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Wirtschaftliche Interessen sind gleichwertig
Weiterhin stellte das Gericht fest, dass in der Ermessensprüfung die jeweiligen wirtschaftlichen Interessen der Parteien als gleichwertig zu behandeln sind. Das Interesse des Klägers auf lebenslange Absicherung durch laufende Rentenzahlung überwiegt nicht dem Interesse des Beklagten auf eine endgültige Beendigung des Versorgungsverhältnisses. In der Interessenabwägung ist auch neu zu bewerten, inwieweit die Möglichkeit einer gesundheitlichen Belastung des Klägers durch die Kapitalzahlung entsteht, da sein Recht auf körperliche Unversehrtheit und auch der Gesundheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz einen Schutz erfordere. Im Weiteren muss festgestellt werden, ob eine mögliche gesundheitliche Belastung ein überwiegendes Interesse an einer Verrentung begründet.

Fazit:

Wenn der Arbeitgeber entscheiden kann, ob er im Leistungsfall eine Rente oder ein Kapital leistet, muss er dies nach billigem Ermessen tun. Eine besondere Beachtung muss der Arbeitgeber dabei gesundheitlichen Beeinträchtigungen schenken, falls der Arbeitnehmer sie geltend macht.

Vanessa Angel, Syndikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial